Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Flüchtlinge

Die Flüchtlinge

Titel: Die Flüchtlinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marta Randall
Vom Netzwerk:
verliebt.“
    „Er ist ein sensibler Mann“, sagte Jason. Er vergaß seine Schmerzen und sah zu, wie Quilla den Tee einschenkte. „Glaubst du, daß er sie heiraten will?“
    „Wäre das nicht ein bißchen voreilig? Er ist doch erst seit fünfzehn Tagen hier.“
    „Vielleicht hast du recht. Und wie ist es mit dir?“
    „Fang nicht wieder damit an, Jason. Ich werde heiraten, wann ich es will – und ich will nicht.“
    „Du könntest ebensogut verheiratet sein“, sagte Jason. „Tabor lebt doch ständig hier, nicht wahr?“
    Quilla setzte langsam ihre Tasse ab. „Ja. Aber wir können nicht miteinander reden, Jason. Wir haben uns gar nichts zu sagen. Er ist ein netter Kerl, er arbeitet schwer und liebt die Kinder. Wir streiten uns nie. Aber etwas anderes tun wir auch nicht. Kannst du dir vorstellen, mit jemandem verheiratet zu sein, mit dem du dich nicht unterhalten kannst?“
    „Nein“, erwiderte er und dachte an Mish. „Aber ihr lebt zusammen. Ihr schlaft, eßt und arbeitet zusammen und zieht gemeinsam die Kinder auf.“
    „Weswegen sollten wir uns dann um irgendwelche Zeremonien kümmern? Sie würden nichts ändern. Und wenn sie etwas änderten, würde das die Sache nur komplizieren. Warum ist dir das so wichtig?“
    „Ich weiß es auch nicht.“ Jason berührte seine Tasse mit den Fingerspitzen. „Ich glaube, ich mag Dinge, die stabil sind, Quil. Ich liebe es, wenn man über alles Klarheit hat und weiß, wie das eine zum anderen steht. Eine Ehe stabilisiert gewisse Dinge. Sie verschwinden auch dann nicht, wenn man gerade nicht hinsieht.“
    „Ich ebensowenig, Jase.“
    „Ich möchte mir dessen eben nur sicher sein.“
    Sie schüttelte den Kopf und griff nach den Papieren.
    „Komm, ich gebe dir erst mal einen generellen Überblick, einverstanden? In die Einzelheiten können wir später einsteigen. Im letzten Jahr haben sich einige Dinge verändert. Unser Verkaufspreis ist um zwanzig Prozent gestiegen, aber die Frachtkosten haben sich auch um zwölf erhöht. Jes hat verlauten lassen, daß Untersektor fünf jetzt offen ist und uns zur Verfügung steht, wenn wir genügend Schiffe bereitstellen können, um die Leute dort zu versorgen. Wenn Mish die Lizenz bekommt, dürfte dem nichts entgegenstehen. Im letzten Winter haben wir zwanzig …“
    Jason versuchte ihr zuzuhören, aber die Schmerzwellen ebbten nicht ab, und darüber hinaus hatten Zahlen ihn schon immer gelangweilt. Er wäre lieber draußen gewesen, hätte die Safteimer geleert und Heu in den Stall gefahren oder sich mit Ved Hirem eine Diskussion geliefert. Er wollte arbeiten. Aktiv sein. Aber er konnte nicht einmal mehr den Boden berühren. Er reagierte auf diesen Verlust mit einem beinahe körperlich spürbaren Schmerz. Aber in diesem Zustand – er konnte weder laufen noch herumstrolchen, noch sich bücken – wollte er nicht auf die Felder hinausgehen. Es war unerträglich. Die Hölle. Er schloß die Augen, ohne in der Lage zu sein, gegen das Gefühl, alles verloren zu haben, ankämpfen zu können. Mish. Aerie. Mish.
    „Stimmt was nicht, Jason?“ Quilla kniete plötzlich neben seinem Stuhl. Ihr Gesicht zeigte einen ängstlichen Ausdruck. Sie berührte seine Schulter.
    „Ich bin müde, glaube ich“, sagte er leise. „Bin wohl nicht so stark, wie ich dachte.“
    „Willst du wieder ins Bett?“
    Er hätte beinahe genickt, doch dann erinnerte er sich wieder an das Zimmer und das Bett, das Mish und ihm gehörte. Er sah das Fenster vor sich, den Ausblick und roch die antiseptischen Mittel, die den Duft von Mishs Parfüm überlagerten.
    „Nein. Ins Wohnzimmer. Ans Fenster.“
    Quilla schob ihn hinaus. Die Korridorwände glitten an ihm vorbei, dann ein scharfer Knick. Das Wohnzimmer. Sessel und Sofas, Gardinen und Vorhänge. Der Kamin. Niedrige Tische. Der Glasschrank. Als er sein Spiegelbild erblickte, wandte er den Kopf. Quilla schob den Rollstuhl ans Fenster.
    „Den gelben Knopf“, sagte Jason. „Er muß zweimal einrasten.“ Das Lebenserhaltungssystem arbeitete, und er fühlte, wie sich sein Geist wieder verlangsamte. Hilflos. Nutzlos. Wie konnte er nur auf diese Weise weiterleben, verbunden mit dem Bett oder dem Rollstuhl, in einer Welt aus Schmerzen und Nebel? Es würde sich nichts ändern.
    „Quilla?“
    Sie beugte sich zu ihm hinunter. „Was ist denn?“
    „Finde es heraus“, flüsterte er. „Finde heraus, was Hart vorhat.“
    „Was er womit vorhat? Jason? Was meinst du damit?“
    Ihre Stimme entfernte sich. Jason wandte das

Weitere Kostenlose Bücher