Die Flüchtlinge
das war auch schon alles. Sie stopfte die Socke ins Wasser und legte sie über das Bein.
„Drück sie ein bißchen drauf. Dann wird es besser.“
„Danke.“ Hart berührte ihre Hand. Meya zuckte zurück. Im Schein der Lampe sah er sie still an. Er glich Jes vom Aussehen her sehr stark.
„Warum hast du Angst vor mir?“ fragte er.
„Habe ich ja gar nicht.“
„Natürlich hast du das. Jedesmal, wenn ich ins Zimmer komme, siehst du aus, als würdest du gleich in Ohnmacht fallen.“
„Das ist überhaupt nicht wahr!“
„Na, komm! Auf diesem Planeten behandelt mich jeder wie ein Ungeheuer, aber keiner ist bereit, mir zu sagen, warum.“
„Das müßtest du selbst gut genug wissen.“
„Wie darf ich das verstehen?“ sagte er aufgebracht.
Meya spannte ihre Beinmuskeln an. Sie war darauf vorbereitet, sofort wegzulaufen. Sie leckte sich die Lippen.
„Du hast Laur umgebracht“, sagte sie schließlich.
Hart starrte sie nur an.
„Du warst es. Bevor du gingst, hast du sie angesehen, und da fiel sie tot um.“
Er schloß die Augen. Da er nicht den Eindruck machte, als würde er ihr etwas vormachen, runzelte Meya verwirrt die Stirn.
„Ich habe Laur geliebt“, sagte Hart endlich mit leiser Stimme. „Ich glaube, ich habe sie mehr geliebt als alle anderen. Sie litt an einem Schock. Sie war eine alte Frau, und ihr Herz spielte einfach nicht mehr mit. Sie war fast achtzig, Meya. Man hat mir nicht einmal gesagt, daß sie tot war. Ich fand es erst ein Jahr später heraus. Ich hatte geglaubt, sie sei in der Mittagshitze ohnmächtig geworden. Ich war wütend auf sie. Wenn Jason es nicht so eilig gehabt hätte, wäre ich sicher zu ihr gegangen. Aber man hat mich nicht gehen lassen. Sie haben es mich nicht einmal wissen lassen.“ Er sah zu ihr auf. „Ich habe sie nicht umgebracht, Meya. Jemandem, den ich dermaßen geliebt habe, hätte ich niemals weh tun können.“
Sie musterte ihn eingehend. Hart zog sich hoch und nahm seinen Stiefel auf.
„Ich nehme an, es gibt niemanden, der mir je glauben wird“, sagte er bitter.
„Ich glaube dir“, sagte Meya leise. Aber er war bereits im Haus verschwunden, und sie wußte nicht, ob er sie noch gehört hatte.
Hart öffnete lautlos die Tür zum Zimmer seines Vaters und ging hinein.
Es war beinahe V’al; die beiden Monde waren untergegangen. Die Finsternis im Inneren des Zimmers war absolut. Er tastete nach dem neben der Tür stehenden Tisch, setzte die Lampe ab und zündete sie an.
„Hallo, Hart.“
Quilla saß neben Jasons Bett auf einem Stuhl. Ozchan stand in der Nähe des Fensters. Er lehnte an der Wand und hatte die Arme vor der Brust verschränkt. Jason saß im Bett. Seine Augen waren hellwach, aber seine blassen Lippen deuteten an, daß er Schmerzen hatte. Hart machte einen unfreiwilligen Schritt nach vorn, dann blieb er stehen.
„Komm ruhig rein“, sagte Quilla. „Es ist noch ein Stuhl da.“
Hart zog sich eine Sitzgelegenheit heran und nahm Platz. Schließlich schob er die Hände in die Taschen. Quilla und Ozchan tauschten einen schnellen Blick. Dann sahen sie ihn wieder an. Hart blieb ruhig.
„Ich habe Quilla gesagt, daß du einen Plan hast“, sagte Jason. „Wir wollen wissen, um was genau es dabei geht!“
„Ich glaube nicht, daß sie das etwas angeht“, erwiderte Hart. „Das ist eine Sache zwischen dir und mir.“
„Aber nicht, wenn es sich dabei um eine medizinische Angelegenheit dreht“, warf Ozchan ein. „Der Arzt Ihres Vaters bin nämlich ich.“
„Sie sind meines Vaters Hüter, meinen Sie wohl.“ Hart vernahm den Ärger in seiner Stimme und schraubte seinen Tonfall vorsichtig zurück. Das eine oder andere hätten sie ohnehin irgendwann erfahren müssen, dachte er. Schade, daß sie dermaßen früh Einblick erhalten haben. Aber daran war nun nichts mehr zu ändern. Er lehnte sich in seinem gepolsterten Stuhl zurück. „Meines Vaters Hüter“, wiederholte er. „Und einen Hüter braucht er momentan, sonst würde er sterben. Das soll keine Beleidigung sein, Doktor. Es ist nur eine Feststellung, das wissen Sie so gut wie ich.“
„Du sagtest, du könntest mir einen neuen Körper verschaffen“, sagte Jason.
„Nein. Ich sagte, ich könnte dir deinen Körper wieder zurückgeben. Von einem neuen war nicht die Rede. Man arbeitet auf Kroeber daran, und irgendwann wird man damit auch Erfolge erzielen. Aber dabei arbeitet man mit Kloning, mit einer Übertragungstechnik. Es würde fünfzehn bis siebzehn Jahre dauern, einen Klon
Weitere Kostenlose Bücher