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Die Flüchtlinge

Die Flüchtlinge

Titel: Die Flüchtlinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marta Randall
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in Eisen legen, Kapitän?“
    „Eine gute Idee.“ Hetch zupfte an seinem Bart und sah Jes an. „Dann würde er uns zumindest nicht zwischen den Beinen herumlaufen.“
    „Oh, aber nicht doch“, protestierte Jes. „Mish, sag ihnen, daß sie mich nicht einsperren sollen.“
    „Das Schiff gehört ihm.“ Mish trommelte mit den Fingern gegen das Funkgerät. „In dieser Angelegenheit habe ich nichts zu bestimmen.“
    „Wie kann ich euch denn dabei helfen, Aerie zu retten, wenn ich eingesperrt bin?“
    Seine Mutter und der Kapitän sahen sich überrascht an. Sie schafften es schließlich, daß Jes zugab, ihre Unterhaltungen mit angehört zu haben.
    „Du bist also nicht nur ein blinder Passagier, sondern auch noch ein Spitzel. Ich sollte dich wirklich in Eisen legen lassen, aber leider habe ich nicht genug Leute, die dich bewachen könnten.“ Die hinter Kapitän Hetch aufgebauten Bildschirme gaben nun das Geflimmer des Tau-Raums wider. Das Gefunkel brach sich auf seiner Glatze. Hetch lächelte plötzlich und musterte seinen Ersten Offizier.
    „Du paßt auf ihn auf“, sagte er dann.
    „Ich bin der Erste Offizier auf diesem Kahn und kein Kindermädchen“, wehrte Bakar protestierend ab.
    „Dein Pech. Hättest halt das Maul nicht so weit aufreißen sollen. Sorg dafür, daß er sich nichts bricht oder sich anderweitig verletzt.“
    „Dafür kann Tham sorgen. Oder Merkit.“
    „Merkit hat im Maschinenraum zu tun. Und nun Abmarsch, bring ihn hier raus.“
    Mit einem finsteren Blick packte Bakar Jes’ Arm und schob ihn von der Brücke. Jes sah sich neugierig in dem blankgeputzten, leicht gekrümmten Korridor um und reckte jedesmal, wenn sie an einer Tür vorbeikamen, den Hals.
    „Wie lange bleiben wir im Tau? Wie schnell sind wir? Werden sie auf uns schießen? Können Sie mir beibringen, wie man das Schiff steuert? Warum haben Sie …“
    „Ach, halt die Klappe“, sagte Bakar. Er schob Jes in einen Raum und folgte ihm. Der Raumfahrer, der Jes aufgelesen hatte, schaute von einer Unzahl von Kabeln auf und grinste Bakar an.
    „Hallo, Tantchen“, sagte er. Bakar holte aus, aber der andere duckte sich. „Hetch hat während der ganzen Unterhaltung die Bordsprechanlage laufen lassen.“
    Bakar murmelte etwas Unverständliches und drückte Jes in einen Sitz.
    „Bleib bloß da sitzen.“ Er verschwand in einem anderen Raum.
    „Sind Sie Merkit?“ fragte Jes den anderen Mann.
    „Ich? Um Himmels willen, nein; so häßlich bin ich ja nun doch nicht. Ich bin Tham Hecate.“ Tham streckte ihm die Hand entgegen, und Jes schüttelte sie.
    „Sind Sie auch ein Offizier?“
    „Nee. Ich bin hier das Mädchen für alles. Kann alles, mach’ alles.“
    Bakar kehrte mit zwei Streifen aus undefinierbarem, braunem Material und einer Tube zurück. Einen der Streifen und die Tube gab er Jes.
    „Iß.“
    Jes starrte nachdenklich auf das, was er ihm gegeben hatte. „Ich habe gar keinen Hunger.“
    „Mag schon sein. Wenn du jetzt nichts ißt, wirst du bis zur nächsten Wache aber nichts kriegen. Wir sind hier auf ’nem Schiff und nicht in ’nem Feinschmeckerlokal.“
    Jes nahm den Streifen in den Mund und leckte daran. Er war zäh und schmeckte nach nichts.
    „Nun mach schon. Iß.“
    Bakar mummelte an seinem eigenen Streifen und ging wieder in den Nebenraum.
    Jes beugte sich zu Tham hinüber.
    „Ist er immer so gemein?“
    Tham stieß ein brüllendes Gelächter aus. „Bakar ist der gemeinste Hund im ganzen Westsektor.“
    Bakar kam wieder zurück. „Und du der blödeste. Komm her, Bübchen.“
    „Ich bin noch nicht fertig.“
    Bakar fluchte. „Du paßt auf ihn auf, Tham. Das ist ein Befehl.“ Er ging auf den Korridor hinaus und warf die Tür hinter sich zu.
    Jes biß ein weiteres Stück ab und sah sich um. Die metallenen Wände und der Fußboden waren zwar sauber, aber verschrammt und fleckig. Über dem Türrahmen hatte jemand irgendwelche Wörter eingeritzt. Jes versuchte sie zu entziffern, aber obwohl die Buchstaben standardisiert waren, schien es sich um eine fremde Sprache zu handeln. Der Raum enthielt einige mitgenommen aussehende Sitze, deren Beine entweder gebrochen waren oder deren Polsterung Risse aufwies. An einer Wand hing ein Regal, in dem allerlei Kassettenbänder lagen. Sie waren von Fotografien und Drucken umgeben, die jemand willkürlich zusammengestellt und teilweise übereinandergeklebt hatte. Er sah Bilder von Früchten, Süßigkeiten, gebratenem, saftigem Fleisch; von Gläsern, die blasse

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