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Die Flüchtlinge

Die Flüchtlinge

Titel: Die Flüchtlinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marta Randall
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die zur Tür führten. Sie betastete die Türklinke, dann schob sie die Stange zwischen Tür und Rahmen, spannte die Muskeln und schritt zur Tat. Das Geräusch knirschenden Holzes durchdrang die Stille der Nacht. Noch ehe es ganz verklungen war, schob Hoku Laur in das Haus hinein und zog die Tür hinter sich zu. Draußen war alles still.
    „Wir brauchen Licht“, flüsterte Hoku.
    „Ich habe ein Feuerzeug“, sagte Quilla. Ihre Kleidung raschelte. „Warte, bis ich die Fenster kontrolliert habe“, sagte Laur. Quilla wartete, bis sie die einzelnen Räume untersucht hatte und sicher war, daß überall die Vorhänge zugezogen waren. Sie stolperte über ein Sofa und fiel gegen einen Tisch. Ihre Hüfte schmerzte.
    „Alles in Ordnung“, sagte Laur schließlich.
    Quilla zündete das Feuerzeug an. Es flackerte. Hoku fand eine Öllampe, brachte sie zum Brennen, und im Schein dieses Lichts suchten sie das Haus nach einer Geheimtür ab.
    Eine Viertelstunde später sahen sie einander enttäuscht an. Hoku öffnete den Mund, aber Quilla bedeutete ihr mit einer Geste zu schweigen.
    „Warte“, sagte sie mit gerunzelter Stirn. Sie schritt das Haus erst der Länge und dann der Breite ab. Ihre Lippen bewegten sich stumm. Laur lehnte sich gegen den Tisch und sah Quilla zu. Sie wußte nicht mehr, was sie denken sollte. Endlich hielt Quilla dort an, wo das Wohnzimmer gegen den Schlafraum stieß.
    „Hier fehlen irgendwo etwa achtzig Zentimeter“, sagte sie. „Ich glaube, es ist dort, wo seine Kleider hängen.“
    Sie hatte recht. Das Regal, in dem mehrere sauber aufgeschichtete Kleiderstapel lagen, war mit einem Scharnier versehen. Als Hoku daran zog, bewegte es sich, klappte zur Seite und legte ein Loch im Boden frei. Eine Leiter führte in die Tiefe hinab.
    „Ich gehe zuerst“, sagte Hoku. Sämtliche Falten ihres Gesichts schienen sich geglättet zu haben.
    Quilla machte eine Geste, dann wandte sie sich um. Hoku stellte den Fuß auf die oberste Leitersprosse. Laur holte tief Luft. Dann ging auch sie auf das Bodenloch zu.
    „Du mußt nicht unbedingt hinuntergehen“, sagte Quilla. Die Ärztin war schon nicht mehr zu sehen. Laur bestieg die Leiter und tauchte ebenfalls unter.
    Die Leiter schien unter ihren Händen und Füßen zu wanken, und das Licht von Hokus Lampe brachte die Dunkelheit zum Zittern. Laur sah auf Regale hinab, die an einer Wand hingen und mit allerlei Flaschen und Krügen gefüllt waren. Sie sah Wein- und Ölbehälter. Manche waren leer, andere gefüllt. Alle waren ordentlich mit Etiketten versehen. Als sie dem Boden näher kam, entdeckte sie eine lange, breite Bank, auf der allerhand seltsame Gerätschaften verstreut waren, Dinge mit Schaltern, Zahnrädern und Meßuhren. Teile von Spielzeugen. Teile von Röhren. Teile von Solarzellen. Zusammengeflickte Maschinenteile, Heimwerkerbasteleien. Laur fröstelte, ließ die letzte Leitersprosse hinter sich und schaute sich um.
    Von innen konnte man das Kellerfenster immer noch sehen. Laur verspürte ein schwaches Gefühl der Erleichterung, dann nahm sie den unter dem Fenster stehenden Tisch in Augenschein. Er war mit einem schweren Stoff bedeckt und verfügte an beiden Enden über Drehvorrichtungen, mit denen man ihn heben und senken konnte. Direkt darüber hing an einem Haken eine Lampe. Der Tisch war sauber und die Fußbodenerde festgetreten und offensichtlich befeuchtet worden, um den Staub unten zu halten. Die Wände waren gegen die Außenfeuchtigkeit abgedichtet. Selbst der große, transparente Bottich am anderen Ende des Raumes blitzte. Der in seinem Inneren sichtbare Umriß schwang rhythmisch hin und her. Nachdem Laur ihn einmal gesehen hatte, konnte sie den Blick nicht mehr davon abwenden. Zusammen mit Hoku ging sie auf den Behälter zu und sah hinein. Als sie spürte, daß Quilla neben ihr stand, tastete sie schweigend nach ihrer Hand und drückte sie.
    Der Beutel war aufgeschlitzt. Man konnte die kleinen Saugwarzen sehen. Aus dem Magen der in einer Flüssigkeit schwimmenden Eingeborenen ragten Leitungen, die sie mit einer großen, aus allerlei Einzelteilen zusammengeflickten Maschine verbanden. Durch die Leitungen wurden Flüssigkeiten transportiert, die sich auf die Eingeborene zu- und von ihr wegbewegten. Man hatte den Leib des Wesens von der Kehle bis zum Unterleib aufgeschnitten und mit primitiven Mitteln wieder zugenäht. Das Fell war zu beiden Seiten der Naht wegrasiert. Die Lider der Eingeborenen flatterten, dann öffnete sie die violetten Augen.

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