Die Flüchtlinge
verschwundenen Kellerfenster. Sie hob Harts Freundlichkeit und Besorgnis um sie hervor und redete über die Hitze und ihre zunehmende Konfusion. Quilla und Hoku hörten ihr schweigend zu, und Laur spürte, wie ihre Angst abnahm.
Schließlich lehnte Hoku sich zurück und runzelte die Stirn. „Es gibt nur einen Weg, die Wahrheit herauszufinden“, murmelte sie.
„Indem wir zu Hart gehen?“ sagte Quilla. Es war mehr eine Feststellung als eine Frage. Hoku nickte und öffnete ihre Arzttasche.
„Laur, ich werde dir jetzt etwas zum Einschlafen geben. Morgen werden wir mehr wissen.“
„Nein“, sagte Laur entschieden. „Wenn ihr geht, dann gehe ich mit. Ich lasse mich nicht ausschließen.“
„Verdammt noch mal, Laur, du bist eine alte Frau!“
„Ich bin nicht älter als du, jedenfalls nicht viel. Jemand muß sich um Hart kümmern.“
„Er ist kein Kind mehr, Laur!“ Hoku ließ ihre Tasche zuschnappen und musterte sie. „Er ist erwachsen – und gefährlich.“
„Hoku, bitte …“ Quilla legte ihre Hand auf den Arm der Ärztin. „Das wissen wir noch nicht. Vielleicht ist er unschuldig.“
„Glaubst du das wirklich?“ sagte Hoku sarkastisch.
Quilla zog die Hand zurück. „Er ist mein Bruder“, erwiderte sie.
Hoku schnaubte. „Hört zu, ihr beiden. Wenn Hart mit der Sache nichts zu tun hat: Gut! Wenn er aber doch etwas damit zu tun hat, und eine von euch glaubt, sie könnte ihn aus der Affäre heraushalten, dann sagt ihr das besser sofort. Ich finde schon jemanden, der mit mir geht. Aber ich gehe auf alle Fälle und niemand wird mich davon abhalten. Acht Eingeborene – acht intelligente Lebewesen –, das sind genau acht zuviel.“
„Ich gehe mit“, sagte Quilla langsam. „Auch Palen hat ihr Kind verloren. Aber vergessen Sie nicht, daß er mein Bruder ist, Hoku. Wenn er schuldig ist, müssen wir ihm das nachweisen. Ohne Beweise ist er für mich unschuldig.“
Laur nickte entschlossen. Hoku zuckte die Achseln. „Na gut. Laur, du mußt etwas anderes anziehen. Hast du eine dunkle Hose? Zieh sie an. Quilla, wir brauchen ein paar Werkzeuge, mit denen wir in das Haus hineinkommen. Gut. In fünf Minuten treffen wir uns am Halaeabaum. Und weckt niemanden auf.“
„Und was ist, wenn etwas passiert?“ sagte Laur leise.
Hoku faßte in ihre Arzttasche. „Dafür habe ich das“, sagte sie kühl. Laur erkannte einen der kleinen, bulligen Lähmer, die man Jahre zuvor von den Neuheim-Schiffen erbeutet hatte.
„Bring ihn nicht um“, sagte Laur. Hoku steckte den Lähmer in die Tasche zurück und ging hinaus.
Die Ärztin führte sie am Fluß entlang. Laurs Schuhe zogen Wasser, und die Nacht schien undurchdringlich und erschreckend still zu sein. Hoku, die den Anfang machte, bewegte sich mit einer überraschenden Agilität vor Laur am Flußufer entlang. Sie hörte, daß Quilla vorsichtig hinter ihr herschritt. Am Himmel waren die beiden Monde zu sehen, der erste ging gerade auf, der zweite unter. Laur hatte das Gefühl, als bewege sie sich durch einen Traum, als sei sie auf einer phantastischen Mission. Auch daß sie sich nicht mehr fürchtete, erschien ihr kaum glaublich. Sie fragte sich, ob der Weg jemals enden würde.
Hoku blieb plötzlich stehen und duckte sich hinter ein Gebüsch. Laur und Quilla taten es ihr gleich. Dann hob Quilla vorsichtig den Kopf, berührte die anderen an der Schulter und bedeutete ihnen, in eine bestimmte Richtung zu sehen.
Nicht weit von ihnen entfernt durchquerten Hart und Gren den Fluß. Sie trugen dunkle Kleidung, und Gren stolperte und fluchte.
Hart trug irgend etwas auf dem Rücken. Schweigend sahen die drei Frauen ihnen zu. Schließlich tauchten sie im Dunkel unter, und Laur stellte fest, daß sie die ganze Zeit über den Atem angehalten hatte. Mit der Wirklichkeit kehrte auch etwas von ihrer Angst zurück. Der Boden gewann unter ihren Füßen wieder an Festigkeit. Quilla und Hoku schlichen bereits weiter; sie ließen das Ufer hinter sich und näherten sich einer Häuserreihe. So schnell sie konnte, folgte Laur ihnen nach.
Sie gingen von der Rückseite auf Harts Haus zu. Hoku fragte flüsternd, wo sich das Kellerfenster befunden hatte. Als Laur ihr die Stelle zeigte, schüttelte die Ärztin den Kopf. Quilla umrundete das gesamte Haus, kehrte zurück und zuckte die Achseln. Hoku zeigte auf die Eingangstür und deutete mit einer Geste an, daß sie keine andere Wahl hatten.
Quilla zog die Brechstange aus ihrem Gürtel und ging leise die beiden Stufen hinauf,
Weitere Kostenlose Bücher