Die Fluesse von London - Roman
vielleicht aus dem Teich in den Fluss hinausgeschwommen und irgendwo hinter den Bäumen aufgetaucht waren, aber das konnte nicht einmal mich selbst überzeugen. Isis gab wieder einmal die Standardversicherung ab, dass jeglicher Verzehr folgenlos bleiben werde, während sie den Tee eingoss und mir ein Stück Madeirakuchen anbot – das ich dankend ablehnte. Ich fragte sie, ob sie sich an einen Henry Pyke erinnerte. Der Name kam ihr bekannt vor.
»Ich bin ziemlich sicher, dass es mal einen Schauspieler gab, der so hieß«, sagte sie. »Aber es traten so viele Schauspieler auf, so viele schöne Männer! Meine gute Freundin Anne Seymour hatte mal einen Mulatten als Diener, der Ihr Bruder hätte sein können. Er war der Schrecken der Küchenmädchen.« Sie beugte sich vor und schaute mir direkt in die Augen. »Und Sie? Sind Sie der Schrecken der Küchenmädchen, Peter?«
Ich dachte kurz an Molly. »Ich muss verneinen, fürchte ich.«
»Richtig, das sehe ich selbst«, sagte sie und lehnte sich wieder zurück. »Er wurde ermordet«, sagte sie dann abrupt.
»Der Diener?«, fragte ich.
»Henry Pyke. Jedenfalls ging das Gerücht. Ein weiteres Opfer des berüchtigten Charles Macklin.«
»Wer war das?«
»Ein abscheulicher Ire«, erklärte Isis. »Aber ein großartigerSchauspieler. Er hatte schon zuvor einmal einen Mann umgebracht – er stritt sich mit ihm im Theatre Royal um eine Perücke und stieß ihm seinen Spazierstock direkt ins Auge.«
»Netter Typ«, sagte ich.
»Nun ja, er hatte eben dieses irische Temperament, verstehen Sie?« Macklin war offenbar in seiner Jugend ein erfolgreicher Schauspieler gewesen, der sich auf dem Höhepunkt seiner Karriere zurückzog und eine Gin-Kneipe aufmachte, die prompt pleiteging. Er war gezwungen, wieder ans Theater zurückzukehren, und wurde bald zu einer populären Dauereinrichtung am Theatre Royal. »Er war dort ausgesprochen beliebt«, sagte Isis. »Man konnte ihn immer auf seinem Lieblingsplatz im Parkett sehen, direkt vor dem Orchester. Ich weiß noch, dass mich Anne oft auf ihn aufmerksam machte.«
»Und Macklin tötete Henry Pyke?«
»Den Gerüchten zufolge, ja. Obwohl ein halbes Dutzend Zeugen aussagte, dass er es nicht war.«
»Die Zeugen waren wohl Freunde von Macklin?«, fragte ich.
»Freunde und Bewunderer.«
»Wissen Sie, wo Henry Pyke begraben liegt?«, fragte ich.
»Nein, tut mir leid«, sagte Isis. »Aber damals wirbelte die Sache ziemlich viel Staub auf, ein richtiger Skandal. Ich würde auf die St. Paul’s Church tippen, jedenfalls wäre das die richtige Gemeinde gewesen.«
Die Schauspielerkirche. Alles lief immer wieder auf diese verdammte Kirche hinaus.
Ein lautes Platschen ertönte, und Beverley kam ausdem Wasser heraus auf den Steg gelaufen, als befänden sich Stufen unter der Wasseroberfläche. Sie schimmerte dunkel, glatt und seidig wie ein Seehund, und man hätte eine Pistole direkt neben meinem Ohr abfeuern können und ich hätte trotzdem nicht den Blick von ihr gewandt. Sie drehte sich zum Fluss um und hüpfte aufgeregt wie ein Kind auf und ab.
»Ich hab gewonnen!«, rief sie.
Oxley kam mit so viel Würde aus dem Wasser, wie man unter diesen Umständen von einem nackten weißen Mann mittleren Alters erwarten konnte. »Anfängerglück«, knurrte er.
Beverley warf sich in den Stuhl neben mir. Ihre Augen glänzten und Wasser perlte über die glatte Haut ihrer Schultern, über die Wölbung ihrer Brüste und rann an den Armen herab. Sie lächelte mich an und ich gab mir größte Mühe, den Blick fest auf ihr Gesicht gerichtet zu halten. Oxley ließ sich umstandslos auf einen Stuhl fallen und griff sich ein Stück Madeirakuchen, wobei er Isis’ Blick geflissentlich mied.
»Hat das Wettschwimmen Spaß gemacht?«, erkundigte ich mich höflich.
»Da unten gibt es Dinge, das würdest du im Leben nicht glauben, Peter«, sagte Beverley.
»Deine Haare sind nass«, sagte ich.
Beverley fuhr sich über das vormals geglättete Haar, das sich bereits zu kräuseln begann. Ich behielt meine Augen wacker unter Kontrolle und sah, dass ihr erst jetzt bewusst wurde, dass sie immer noch splitternackt war. »Oh, Scheiße!«, rief sie und warf Isis einen entsetzten Blick zu. »Entschuldigung.«
»Handtücher sind im Bad, meine Liebe«, sagte Isis nachsichtig.
»Bis gleich«, rief Beverley und verschwand hastig durch die Küchentür ins Haus.
Oxley lachte und griff nach einem weiteren Stück Kuchen. Isis klatschte ihm auf die Hand. »Geh schon und zieh
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