Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition)
habt.«
»Allerdings ist das Klima hier in Helena nicht gerade besonders gut«, erwiderte mit leichtem Lächeln Mrs. Dayton, »aber etwas weiter im Lande drin, – in und auf den Hügeln soll die Luft doch –«
»Sieh, dort kommt der Fremde«, – unterbrach sie schnell Adele, »er scheint sich die Stadt ein bißchen ansehen zu wollen. Jetzt bin ich neugierig, wer das sein – Tom Barnwell bei allem, was da lebt! – Tom Barnwell aus Indiana! Den glaubte ich eher in Afrika oder Europa.«
»Aber wer ist Tom Barnwell?«
»Ein früherer guter Bekannter unserer Familie und ehemaliger sehr starker Anbeter von Marie Morris, der jetzigen Mrs. Hawes. Jene Liebe soll auch die Ursache gewesen sein, daß er zur See ging; er ist aber rasch wieder zurückgekehrt.«
»Er kommt gerade auf das Haus zu.«
»Ei, – ich rufe ihn an«, sagte Adele plötzlich; – »Tom war stets ein wackerer Bursche und überall beliebt. Marie verstand ihn nur damals nicht, so wenigstens glaube ich, und als er sah, daß sie den anderen Bewerber vorzog, räumte er freiwillig das Feld und verließ die Staaten. Ob er wohl weiß, daß sie hier so ganz in der Nähe ist? Aber er geht wahrhaftig vorüber, ohne heraufzusehen. Der muß in tiefen Gedanken sein, unser Haus fiele ihm doch sonst gewiß vor allen übrigen auf. Höre, Nancy, geh einmal rasch hinunter und sage dem jungen Manne dort – siehst du den, der da gerade um die Ecke biegen will –, eine alte Bekannte ließe ihn bitten, einen Augenblick hierherzukommen, sie wünschte ihn zu sprechen.«
Die Mulattin folgte rasch dem Befehl, und Tom war nicht wenig erstaunt, auf solche Art und in einer ihm wildfremden Stadt angeredet zu werden, gehorchte aber ohne weiteres der Einladung und stand bald darauf vor Adele, die ihm freundlich grüßend die Hand entgegenstreckte.
»Willkommen in Arkansas, Mr. Barnwell! Es ist hübsch von Ihnen, daß Sie des alten Onkel Sams Territorien nicht ganz vergessen haben. Mr. Barnwell aus Indiana, Mrs. Dayton aus Georgia.«
»Miß Dunmore!« rief Tom erstaunt und erfaßte mechanisch die ihm dargebotene Rechte. – »Miß Dunmore, träume ich denn oder wache ich? Sie hier in Helena? – Und wissen Sie denn? – Nein, nein, wie könnten Sie es denn wissen – Marie! –«
»Um Gottes willen!« sagte Adele erschrocken, – »Was fehlt Ihnen, Sir, erst jetzt sehe ich, – Sie sind leichenblaß, – Sie haben Marie gesehen?«
»Ja«, stöhnte der junge Mann und barg für einen Augenblick das Antlitz in den Händen, dann aber, sich rasch wieder sammelnd, sagte er leise: »Sie ist hier!«
»Ja, ich weiß es«, erwiderte Adele mitleidig, »wenn auch nicht hier in Helena, doch gar nicht weit entfernt, in Sinkville.«
»In Sinkville? Nein, hier – hier – in der Stadt.«
»Wer? – Marie?« rief Adele. – »Und ihr Mann?«
»Oh, Miß Dunmore!« bat Tom, ohne die letzte Frage zu beantworten, ja ohne sie vielleicht zu hören. »Sie waren stets Marie eine treue, liebende Freundin; – verlassen Sie jetzt nicht die Unglückliche in ihrer größten, fürchterlichsten Not! –«
»Um alles Lebendigen willen, was ist geschehen?« rief Adele und erfaßte krampfhaft den Arm des Unglücksboten. Dieser aber erzählte der atemlos Zuhörenden die Erlebnisse des gestrigen Abends und wie und wo er das arme Wesen getroffen, teilte ihr seine Befürchtungen mit und bat sie nochmals, sich der Schutzlosen hier in der fremden Stadt anzunehmen. Mrs. Dayton, die teilnehmend dem Bericht zugehört hatte, fiel hier, als sie das trostlose Entsetzen in Adeles Angesicht bemerkte, dem jungen Mann in die Rede und versicherte ihm, die Freundin ihrer Adele solle in ihrem eigenen Hause ein Asyl finden.
Das Mädchen faßte dankend ihre Hand.
»Wie aber teilen wir Hawes die Schreckensbotschaft mit?« rief sie ängstlich. »Und wie kommt Marie gestern abend auf den Fluß, da er sie doch erst gegen Morgen auf seiner Plantage verlassen haben kann?«
»Wer Hawes?« fragte Tom erstaunt. »Edward Hawes? Der muß mit auf dem Boot gewesen sein. Maries Phantasien kehren immer wieder zu ihrem Gatten zurück, den sie wie ihre Eltern totsagt.«
»Was ist das?« rief Adele entsetzt. – »Sie wahnsinnig – ihre Eltern tot und Hawes hier – gesund und wohl? Großer Gott, wie kann das zusammenhängen? – Waren wenige Stunden imstande, solche fürchterliche Veränderungen hervorzubringen, – oder – ich weiß nicht, mir schwindelt selbst der Kopf, wenn ich nur so Entsetzliches denken soll; es kann ja
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