Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition)
Aufenthaltsort diente, kam Scipio und führte Mr. Smarts Rappen am Zügel dem Hause zu, aus welchem eben Smart und unser Bekannter von vorhin, der Virginier, traten. »Lege rasch den Sattel auf, Sip!« rief Jonathan seinem langsam heranschlendernden Neger entgegen. – »Potz Zwiebelreihen und Holzuhren, du gehst ja, als ob du Blei in den Beinen hättest! – Ah, Miß Adele, – schönen guten Morgen; nun, nehmen Sie meine Alte mit? Ja, es gibt heute morgen nicht viel zu tun hier. – Mrs. Breidelford hat all die Kundschaft –«
»Pfui, Mann, schäme dich! Wie kannst du nur so häßlich reden?« sagte Mrs. Smart, die eben mit gewaltigem Sonnenbonnet und riesigem Arbeitsbeutel neben Adele auf die Veranda trat und die linke Treppe niederstieg. »Ich machte mir auch nichts aus ihr, aber solch schreckliches Ende –«
»Mr. Smart meint's nicht böse«, entgegnete, sie beruhigend, Adele. »Ach, wissen Sie wohl, Sir, wie Sie vor wenigen Abenden noch jenen Scherz mit ihr trieben? – Wer hätte da gedacht, daß ihr auf fast ähnliche Weise ein so fürchterliches Schicksal bevorstand? Sie ist sicherlich überfallen worden.«
»Nein, Miß«, sagte der Virginier, indem er die Mittelstufen hinabgestiegen und auf das Pferd zuging, – »ich war dort. Die Buben, die sie erschlagen haben, hatten sich's vorher ganz bequem gemacht; es sind wahrscheinlich einige von ihren Freunden gewesen, die sich dort auskannten. Aber, Smart, ich muß wahrhaftig fort, sonst komme ich zu spät. Wie weit ist's denn eigentlich bis zu Livelys, und nach welcher Richtung zu liegt die Farm?«
»Ihr könnt sie, wenn Ihr Euch daranhaltet, in zwei Stunden recht gut erreichen«, erwiderte der Yankee, »die Richtung ist ziemlich Nordwest.«
»Wen von den Livelys wollen Sie denn sprechen?« fragte Adele und wendete sich gegen den Virginier; denn sie gedachte des heute gehörten Gesprächs zwischen dem Squire und William Cook. – »Ich glaube kaum, daß Sie jemanden von ihnen zu Hause finden werden.«
»Na, weiter fehlte mir nachher nichts«, brummte der Virginier; – »erst den Ritt, und dann umsonst! Ich will James Lively aufsuchen, und die Sache hat Eile; er ist in Gefahr.«
»In Gefahr?« fragten Smart und Adele zu gleicher Zeit. –
»Wieso? Durch wen?«
»Ei, sie haben Cook verhaftet –«
»Cook verhaftet?« rief der Yankee und zog vor lauter Verwunderung zum ersten Male die Hände aus den Taschen. – »William Cook?«
»Ei, jawohl, und wollen James auch an den Kragen. – Man hat James' Messer in der Ermordeten Hause gefunden.«
»Das ist nicht möglich!« rief Adele entsetzt. – »Großer Gott, sie können doch nicht solch fürchterlichen Verdacht – Squire Dayton weiß ja selbst, daß er erst heute morgen und weshalb er in die Stadt gekommen ist.«
»Der Squire? Hm, das glaube ich kaum; – der ist's gerade, der mir am meisten auf Livelys Verhaftung zu dringen scheint. Wenn ich nur wüßte, wo er wäre –«
»Oben, gleich über der Stadt, am Flußufer«, sagte Adele rasch und heftig; – »es ist keine Viertelstunde von hier, gerade an der kleinen Schenke vorüber, wo das Kieferndickicht steht –«
»So nahe? Hm, da werde ich wohl zu spät kommen«, meinte der Virginier und rückte sich den Filz mit beiden Händen fest in die Stirn. – »Den Henker auch, wenn's nicht weiter ist, sind sie schon lange oben –«
»Ja, aber was macht er denn im Kieferndickicht?« fragte Smart verwundert.
Adele beobachtete, die Frage wahrscheinlich ganz überhörend, die Bewegungen und Anstalten des langen Virginiers mit fast fieberhafter Aufregung. Er stand auf der linken Seite des Pferdes, hob höchst sorgfältig das rechte Bein in die Höhe und stellte es in den Bügel und wurde erst durch das vergnügte Grinsen des Negers darauf aufmerksam gemacht, daß er die ›Backbord-Finne‹ zuerst lüften müsse, um, Bug nach vorn, ins Fahrwasser zu kommen. – Er wechselte hierauf die Füße.
»Sie können nicht reiten, Sir?« rief Adele ängstlich, während sich Smart mit hochgezogenen Brauen ganz ungemein auf das Aufsitzen des Langen zu freuen schien.
»Ein Boot wäre mir lieber«, meinte Mills; – »'s hat mir was schrecklich Unbehagliches, daß die Beine so an beiden Seiten herunterhängen sollen.«
Er hatte jetzt den richtigen Fuß in den Steigbügel gebracht, warf das rechte Bein über den Sattel und kam, als das kleine, muntere Tier ein wenig zusammenfuhr, mit plötzlichem Ruck ›an Bord‹, wie er's nannte.
»Großer Gott, ist
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