Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition)
mehrere, ihm jedoch gänzlich fremde Gestalten dort einkehren und dann in die Stadt hineinreiten. Von dort heraus kamen nur zwei, der eine ein Kaufmann aus der Frontstreet, der andere ein Farmer aus der nächsten Umgebung, die sich jedoch nicht bei der Schenke aufhielten, sondern an dem versteckten jungen Mann vorbei, der eine in die Hügel, der andere einen schmalen Pfad hinaufritten.
So mochte es zehn Uhr geworden sein, und in Helena selbst hatten währenddessen die oben beschriebenen Vorfälle stattgefunden. Da, als ihm die Zeit schon anfing lang zu werden und er eben mit sich zu Rate ging, ob er nicht doch vielleicht jetzt trotz seiner Verabredung mit Cook den Schwager aufsuchen, ihm das Gesehene mitteilen, wie auch um Beschleunigung der zu treffenden Maßregeln treiben solle, sah er aus der Stadt heraus vier Männer kommen, die aufmerksam nach etwas zu spüren schienen, und von denen zwei sogar in die Büsche an der Seite der Straße hineingingen. Gleich an einem niederen Papaodickicht, dem gegenüber ebenfalls ein kleiner, im Durchmesser freilich kaum hundert Schritt breiter Kiefernschlag lag, hatten sie angefangen, und es dauerte nicht lange, so fanden sie dort sein angebundenes Pferd.
»Wetter noch einmal« dachte James, als er aus seinem Versteck heraus sah, wie es vorgeführt und einem der Männer übergeben wurde, »was haben die Burschen im Sinn? Was geht sie mein Pferd an, und wer sind sie denn eigentlich?«
Er richtete sich ein wenig empor und erkannte deutlich, wie zwei von ihnen die Kiefern abgesucht hatten und wieder auf die Straße kamen. Eine kurze Beratung fand jetzt statt, und der Führer, wenigstens der, den er dafür hielt, deutete den Weg hinauf nach dem Platze zu, wo er sich befand. Der Zug setzte sich gleich darauf auf sein Versteck zu in Bewegung. Da vernahm sein scharfes Ohr donnernde Hufschläge, und er sah, wie sich die Männer ebenfalls danach umschauten. Gleich darauf traten sie rasch aus dem Wege zurück, und im selben Moment flog auch ein schäumender Rappe daher, auf dessen Rücken – konnte er denn seinen Augen wirklich trauen? – mit fliegenden Locken und vom scharfen Ritt erhitzten, glühenden Wangen – Adele Dunmore saß und, weder rechts noch links zur Seite blickend, das feurige Tier durch raschen Gertenschlag zu noch immer wilderer Eile antrieb.
So gern er sie aber gesprochen und um das Ungewöhnliche dieses einsamen Rittes befragt hätte, so war es auch wieder ein Gefühl, über das er sich selbst keine Rechenschaft zu geben wußte, das ihn fast unwillkürlich zwang, sich vor der Jungfrau zu verbergen. Er trat rasch hinter eine niedrige, buschige Kiefer und erwartete natürlich, sie im nächsten Augenblicke vorbeibrausen zu sehen. Da hielt durch plötzlichen Zügeldruck, der das feurige Tier fast auf die Hinterbeine zurückbrachte, Adele ihr Pony an, und James hörte zu seinem grenzenlosen Erstaunen, wie sie mit rascher, ängstlicher Stimme seinen Namen rief: »Mr. Lively – Mr. James Lively! Wo, um des Himmels willen, sind Sie, Sir?« Hätte James in diesem Augenblick eine zwanzig Fuß hohe Kluft hinabspringen müssen, um dem Ruf Folge zu leisten, er würde sich nicht eine Sekunde lang besonnen haben. Was Wunder also, daß er mit Blitzesschnelle aus dem Dickicht vorglitt und so plötzlich und unerwartet vor dem Pony stand, daß dieses entsetzt zurückfuhr und alle Anstalten machte, sich aus Leibeskräften emporzubäumen. James warf seine Büchse hin und fiel ihm mit schnellem Griff in die Zügel, während Adele mit einem leise gemurmelten »Gott sei Dank!« aus dem Sattel und in den ihr helfend entgegengestreckten Arm des jungen Farmers glitt. Ohne aber auch nur einen Augenblick zu zögern, warf sie den scheuen Blick zurück auf die rasch herbeieilenden Männer und rief mit vor Angst fast erstickter Stimme: »Fort, Sir, – um Gottes willen fort! – Nehmen Sie mein Pferd und fliehen Sie!«
»Miß Adele! –« rief James ganz überrascht aus.
»Fort«, bat sie wieder, »wenn Sie, – wenn Ihnen meine Ruhe nur etwas gilt, fort! Mr. Cook ist gefangen, – Helena in Aufruhr. – Jene Männer dort kommen, um Sie zu fangen.«
»Mich? – Weshalb?«
»Mein Pferd! Heiland der Welt, es wird zu spät!«
James, der in diesem Augenblick wirklich nicht wußte, ob er wache oder träume, begriff leicht, daß hier irgend etwas ganz Außergewöhnliches und ihm wahrscheinlich Gefahrdrohendes geschehen sein müsse. Wenn er auch sich selber keiner Schuld bewußt war,
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