Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition)
angebrachten Ampel herabschien, seinen dämmernden Schein über den Raum warf.
Es war ein Reichtum der Ausstattung, der nicht wohltat, eine Überladung mit Schmuck und Pracht, die das Auge, das vergebens einen Ruhepunkt suchte, eher beleidigte als erfreute.
Mitten in all dieser Herrlichkeit lag ein junges Weib in weißen, losen Gewändern, die vollen, schöngeformten Glieder auf den üppigen Diwan gestreckt, der, in wirklich morgenländischer Pracht und mit weichen, schwellenden Kissen bedeckt, von Wand zu Wand lief. Vor ihr aber auf einem niedern Taburett kauerte eine andere Gestalt, die ihr Antlitz in den Händen barg und in tiefem entsetzlichen Schmerz fast aufgelöst schien.
»Er wird wiederkommen, Kind«, tröstete sie die Frau und legte die feingeformte, weiße Hand leicht auf den Scheitel der Weinenden, »er wird wiederkommen, beruhige dich nur, du liebes wunderliches Kind. – Sieh, vielleicht sucht er dich, selbst in diesem Augenblick, allenthalben, und das Echo gibt ihm leider vergebens deinen lieben – ängstlich gerufenen Namen zurück.«
»Wiederkommen?« rief zitternd das junge Mädchen und hob das tränenvolle Angesicht zu der Beschützerin empor. »Wiederkommen? Nie – nie; tief unten im Strom liegt er – von tückischer Kugel getroffen – ich sah ihn stürzen – ich hörte den Fall ins Wasser, und dann – dann vergingen mir die Sinne. Großer, allmächtiger Gott – ich muß wahnsinnig sein, denn wäre das das Wahrheit, was mir dann ein fürchterlicher Traum vorspiegelte, mein armes Hirn hätte es ja nicht ertragen, mein Herz wäre gebrochen in all der Angst, in all der Schmach und Schande.« – Sie barg das lockige Haupt in den weißen Kissen, und ihr ganzer Körper zitterte von innerer Pein und Aufregung. Georgine richtete sich halb in Ungeduld von ihrem Lager empor.
»Komm«, sagte sie und hob leise den Kopf des schönen Kindes, »komm, Marie, erzähle mir alles, was dir begegnet ist; bis jetzt habe ich nur, und zwar erst nach vielem Fragen, deinen Namen erfahren. Seit ich dich aus den Händen jenes rohen Gesellen befreite, hast du fast nichts getan als geweint. Ich interessiere mich für dich. Willst du aber, daß ich dir weiter helfen soll, so sei auch aufrichtig! – Wie kamst du in – in ihre Gewalt?«
»So soll ich denn all den noch frischen, blutenden Schmerz erneuen? Soll die Wunde stacheln, die noch nicht zu brennen aufgehört hat?« sagte mit leister, fast tonloser Stimme die Unglückliche. – »Doch es sei; – du schütztest mich vor der rohen Faust jenes Buben – du sollst in wenigen Worten alles hören, was mich betrifft.
Noch weiß ich nicht, wo ich bin«, flüsterte sie nach kurzer Pause, während ihre Blicke wirr und staunend ihre Umgebung überflogen, »noch ist es mir fast, als ob ein Zauber, ein fürchterlicher Traum mich umnachtet halte; doch ich fühle, wie ich lebe und wache; ich sehe das dämmernde Licht jener Lampe; ich kann den warmen Atem deines Mundes an meiner Wange fühlen; ich bin erwacht; das Erwachen selbst nur war gräßlich. Sich aber auch im vollen Besitze jedes Glücks zu wissen, das uns diese Erde nur zu bieten vermag, und dann auf einmal mit der Schnelle des vernichtenden Strahls alles, alles zu verlieren, das tut weh, das frißt sich tief ins Herz hinein. Doch du wirst ungeduldig, du kannst die kurze Zeit nicht erwarten, die ich brauche, um dir meine Leiden zu erzählen, und ich – ich soll sie ein ganzes Leben mit mir fortschleppen bis zum Grabe. – Aber du hast recht; ich bin nur ein törichtes, unwissendes Kind; ich klage nur über mein Elend und denke nicht daran, daß er – er, für den ich ja nur leben und lieben wollte, meinetwegen starb. – Es sind jetzt wohl sechs Monate, daß er zuerst meines Vaters Haus betrat. Soll ich dir sagen, wie wir uns kennen und lieben lernten? Nein; du würdest mich nicht verstehen; dein eigener Blick schaut so ernst und stolz auf mich nieder; du würdest mich vielleicht gar verspotten. Genug – wir liebten uns. Er schloß sein ganzes treues Herz mir auf und hatte das meine gewonnen, ehe ich nur selbst ahnte, daß er darum warb. Auch die Eltern achteten ihn – sie segneten unsere Verbindung; – ich wurde sein Weib. Inzwischen hatte er meinem Vater von dem schönen und herrlichen Süden erzählt, von dem Plantagenleben in Louisiana. Sie fuhren beide hinab, um das Land zu prüfen, und Eduard erstand am Atchafalaya die Pflanzung eines alten Kreolen, der gesonnen war, den Abend seines Lebens in
Weitere Kostenlose Bücher