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Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition)

Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition)

Titel: Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Gerstäcker
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Philadelphia bei Kindern und Verwandten zuzubringen. Vor wenigen Wochen kehrten die Männer zurück. Unsere Farm wurde verkauft, ja selbst unsere zahlreichen Herden machte mein Vater zu barem Gelde, und auf einem selbsterbauten Flatboot, wozu ihn Eduard eigentlich beredet, schifften wir all unser übriges Eigentum ein, um mit der Strömung des Mississippi unserer neuen schönen Heimat zuzuschwimmen. Mein Vater wollte einen Mann annehmen, der unser Boot den Fluß hinabsteuern sollte; Eduard bestand aber darauf, das selbst zu tun. Er war, wie er sagte, mit jeder Sandbank, mit jedem Snag bekannt, und glücklich führte er uns auch den Wabasch und Ohio hinab und immer weiter den Mississippi nieder. Hier aber mochte ihn das tiefer und gefahrloser werdende Wasser zu unvorsichtig machen; vorgestern abend, nahe einer Insel, lief unser Fahrzeug auf den Sand, und hier – großer, allmächtiger Gott – ich würde wahnsinnig, wenn ich das alles noch einmal überdenken sollte!«
    »Und Eduard?« fragte die Frau, während sie von ihrem Lager aufsprang und unruhig im Zimmer auf- und abschritt »Dein Vater – deine Mutter?«
    » Tot – alle tot!« – seufzte die Unglückliche.
    »Und du?«
    »Erbarmen – Erbarmen! Dringe nicht weiter in mich; – laß mir die Nacht, die meine Sinne noch umschlossen hält; – laß mir jene tollen, blutigen Schatten, die mir wild das Blut durchrasen und in ihren sinnverwirrenden Kreisen die Erinnerung ertöten; laß sie mir, und wären sie die Boten des Wahnsinns. Lieber so – lieber tot, als zu denken, daß – hahaha – da vorn ist er wieder, der tückische Kopf, der meinem Eduard gleicht. – Da taucht er wieder empor aus der Flut, und ich ich strecke die Hände nach ihm aus, ich ergreife sein nasses Kleid; – er soll micht retten – retten aus der Hand des Teufels, der mich umschlossen hält, und er – o mein armes Hirn, wie es klopft und schlägt, wie es zuckt und brennt! Ach, daß Eduard fallen mußte und nun sein Weib nicht rächen, nicht schützen kann vor den eigenen entsetzlichen Gedanken und Bildern!«
    Marie ließ matt die Arme sinken und neigte das Köpfchen auf die Brust herab; vor ihr aber stand das stolze, schöne Weib, und eine Träne, ein seltener Gast, drängte sich ihr in das große schwarze Auge.
    »Du sollst bei mir bleiben, Marie!« flüsterte sie dem armen Kinde leise zu. – »Sie sollen dich nicht von mir fortreißen; er darf es nicht«, wiederholte sie dann leise und mit sich selber redend, – »er darf mir die Bitte nicht versagen, und wenn er es tut, wenn er wirklich schon alles das vergessen haben sollte, was er mir in früheren Zeiten gelobt hat, – gut – der Versuch sei wenigstens gemacht –«
    »Ich will schlafen gehen«, sagte die Unglückliche und strich sich die feuchten Locken aus der Stirn, »ich will schlafen gehen; – mein Kopf schmerzt mich; – meine Pulse schlagen fieberhaft; – ich bin wohl krank. – Gute nacht, Georgine.« Marie erhob sich und schritt der Tür zu; Georgine aber, vielleicht von plötzlichem Mitleid oder anderen Gefühlen bewegt, umfaßte das arme Wesen, das sich kaum aufrecht halten konnte, und führte es durch eine in die linke Wand geschnittene und von einem prachtvollen Vorhang bedeckte Tür in ein kleines Gemach, das seiner Bauart nach schon in dem Warenhause lag und nur durch eine dünne Bretterwand von den großen, hier zeitweilig aufgestellten Gütern getrennt wurde. Kaum hatte sich dort die Arme auf ein Lager niedergelassen und mit weichen Decken gegen die kühle Nachtluft geschützt, als sich schon die Tür ihres Wohnzimmers öffnete und Kelly, den Hut in die hohe Stirn gedrückt, eintrat.
    Georgine ließ den Vorhang sinken und stand im nächsten Augenblick vor dem Gatten.
    »Wo ist die Fremde?« war das erste Wort, das er sprach, und seine Augen durchflogen schnell den kleinen Raum.
    »Ist das der ganze Gruß, den Richard heute abend seiner Georgine bringt?« fragte die Frau halb scherzend, halb vorwurfsvoll. – »Suchen meines Richards Augen heute zum ersten Mal ein fremdes Wesen und fliehen den Blick der Gattin?«
    »Nein, Georgine«, sagte Kelly, und die ernsten Züge milderten sich zu einem leichten Lächeln, »die Augen sind deine Sklaven wie immer; die Frage galt nur der Fremden«, und er streckte der Geliebten die Hand entgegen und zog sie leise an seine Brust. »Guten Abend, Georgine«, flüsterte er dann und drückte einen Kuß auf ihre Lippen; »aber wo ist die fremde Frau? Du hast nicht recht

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