Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition)
Hirsch zwischen diese Steine getreten«, erwiderte James.
»Aber woran sehen Sie das? Ich kann auch nicht das mindeste erkennen, das eine solche Vermutung bestätigte.«
»Wirklich nicht?« fragte der Jäger und beugte sich noch weiter zu der bezeichneten Stelle nieder. »So will ich Ihnen hier den Beweis geben, daß wir diese Verfolgung nicht unternommen haben, ohne imstande zu sein, sie auszuführen. Sehen Sie, wie der eine kleine Stein hier etwas zur Seite geschoben ist? – Zwar nur ein wenig; der schmale Streifen läßt sich aber deutlich auf dem feuchteren Grund erkennen. – Dort, gerade an dem grauen Moos, hat die Schale gescheuert, und hier unten ist auch noch zum Überfluß der Eindruck der Spitze. Aber ha, – was ist das? – So wahr ich lebe –«
»Nun?« fragte Sander erstaunt. »Was sehen Sie denn da Besonderes auf der Steinplatte? Wenn der Bursche keine Meißel unter den Füßen gehabt hat, so kann er doch dort unmöglich eine Spur hinterlassen haben.«
»Habt ihr etwas gefunden, James?« rief jetzt Cook von drüben herüber.
»Kommt her und seht selber!« sagte James. – »Hier ist etwas, das auf jeden Fall Beachtung verdient.«
In wenigen Sekunden waren die übrigen an seiner Seite und blickten jetzt forschend und gespannt umher.
»Wann hat es zum letzten Mal geregnet?« fragte James.
»Vorgestern abend«, sagte der Greis.
»Und glaubt ihr, daß sich seit vorgestern nacht dieses Wasser hier auf dem Stein gehalten haben könnte?« fuhr James fort und deutete auf eine feuchte Stelle der Felsplatte. – »Hätte der Wind dies hier nicht schon lange auftrocknen müssen?«
»Der Wind kann es ja gerade aufgetrocknet haben«, sagte Sander, – »und das, was wir hier sehen, sind nur noch die Überreste.«
»Nein, das ist nicht möglich!« rief der alte Lively. – »Gerade hier ist dieser Stein etwas abschüssig, und der Regen hätte ablaufen und sich unten sammeln müssen; diese tiefe Stelle aber ist trocken. Nein, nein, beim ewigen Gott, wir sind auf der rechten Spur.«
»Ja, wahrhaftig!« rief Cook freudig. – »Das muß die Stelle sein, wo der Flüchtling den Bach verlassen hat und wo seine nasse Fußspur noch nicht die Zeit hatte zu trocknen.«
»Das war mein erster Gedanke«, bestätigte James, »und nun, Cook, laßt uns sehen, ob Euer Bohs auch nur einen Pflaumenkern wert ist. Wir sind die ganze Nacht umhergerannt, und er muß wissen, daß wir etwas suchen. – Bringt ihn also auf die Spur und seht, was er sagt.« »Bohs«, rief Cook den Hund an, – »Bohs, komm her, Alter! – Was hältst du von der Fährte hier? Such, mein Hund, such – und nimm dich zusammen, mein Bursche!«
Bohs gehorchte zwar der Aufforderung, schien aber sonst ungemein wenig Lust zu haben, sich weiter zu bemühen. Seine Meinung war in dieser Nacht schon zu oft befragt worden, als daß er darin etwas besonders Ehrenvolles oder Außerordentliches hätte sehen können, und mit schwerfälligen, langsamen Schritten stieg er auf die höherliegende Felsplatte hinauf, ohne sich auch nur die Mühe zu nehmen, die Nase auf den Boden zu halten.
»Nun sieh einer das faule Vieh an!« rief James unwillig. »Mich wundert es nur, daß die Bestie überhaupt noch die Beine hebt. Ich legte mich doch lieber gleich nieder und – ha – jetzt wittert er etwas!«
Bohs schien in der Tat plötzlich auf andere Gedanken zu kommen; denn er blieb stehen, spitzte die Ohren, blickte rechts und links mit schnellen, lebhaften Gebärden umher, und jetzt, als er noch einmal den Stein, auf dem er stand, berochen hatte, sträubten sich seine Haare; – er knurrte leise und schaute, mit dem Schwanz wedelnd, zu seinem Herrn auf.
»Das muß ein Wolf gewesen sein«, sagte James unmutig.
»Ein Wolf oder ein Neger!« rief Cook. – »Er zeigt beide auf gleiche Art an.«
»Ein Neger? Dann ist's wahrhaftig der entflohene Mulatte, und er soll uns nicht mehr entgehen. Zum Henker mit ihm! Es ist Zeit, daß wir ihm das Handwerk legen. Was sagt der Hund?« Bohs sah mit seinen klugen Augen fragend zu dem Herrn empor, und als dieser ihm schmeichelnd den breiten Nacken streichelte und ihn ermunterte, der Spur zu folgen, wedelte er aus Leibeskräften mit dem Schwanze, um vor allen Dingen seine unbedingte Bereitwilligkeit auszudrücken, dem Befehl Folge zu leisten. Dann aber wies er knurrend die Zähne, ging ein paarmal mit majestätischen Schritten um den Stein herum und stieg nun, die Nase dicht am Boden, langsam den steilen Gebirgsrücken hinauf, an
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