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Die Formel der Macht

Die Formel der Macht

Titel: Die Formel der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasmine Cresswell
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die neu angebrachten Stahlgitter vor den Fenstern oder der Riegel, den sie vorgeschoben hatte, nachdem sich der Agent vom Secret Service verabschiedet hatte. Was immer es auch sein mochte, der Ort, an dem sie seit zwei Jahren lebte, erschien ihr jetzt fremd, und sie empfand es als ausgesprochen scheußlich, sich gegen einen Feind schützen zu müssen, der nicht nur namen- und fast gesichtslos war, sondern dessen Motive für sie auch völlig im Dunkeln lagen.
    Sie wanderte von der engen Küche nach hinten ins Schlafzimmer und registrierte die kaum merklichen Veränderungen, die entstanden waren, als die FBI-Agenten ihre Wohnung durchsucht hatten. Sie verrückte den Bücherstapel ein bisschen, der auf ihrem Nachttisch darauf wartete, gelesen zu werden, warf eine alte Zahnbürste weg, hängte die Lieblingsfotografie von ihrer Mutter gerade und schüttete eine Tüte sauer gewordene Milch in die Spüle.
    Schließlich landete sie im Wohnzimmer, wo sie, zu rastlos, um sich zu setzen, vor dem Kamin mit dem Marmorsims stand, ein Relikt, das die glorreicheren Tage der Jahrhundertwende überlebt hatte. Wenn sie jemals versuchen würde, Feuer in diesem antiken Kamin zu machen, würde ihr wahrscheinlich die Bude über dem Kopf abbrennen, aber sie liebte die Einfassung mit den kunstvollen Verzierungen und die Atmosphäre von unangemessener Opulenz in einem Wohnzimmer, das kaum groß genug war, um eine Couch, einen Kaffeetisch und dicht an der Wand einen Schreibtisch zu fassen.
    Summer zog die siebzig Jahre alte Pendeluhr auf, die ihrer Mutter und ihrer Großmutter gehört hatte, und entspannte sich ein bisschen, als sie das vertraute Ticken hörte. Nach der Stille, die sie in ihrer Gefangenschaft hatte erdulden müssen, waren die Geräusche des täglichen Lebens sehr wichtig für sie geworden. In diesem Moment heulte in einiger Entfernung eine Polizeisirene, die mit der Sirene irgendeines anderen Rettungsfahrzeugs um Vorherrschaft rang. Sie lächelte in sich hinein. Nun, nicht jedes Geräusch war unbedingt schön, aber es würde ganz gewiss noch eine Weile dauern, bis sie sich über den ständigen Verkehrslärm in New York beschwerte.
    Von dem beruhigenden Lärm mit neuer Energie erfüllt, machte sie sich eine Lasagne in der Mikrowelle heiß und verbesserte den Geschmack, indem sie diese mit einer halben Flasche Beaujolais hinunterspülte und dabei mit voll aufgedrehter Stereoanlage Beethovens Neunte hörte. Den Wein hatte sie sich für eine besondere Gelegenheit aufgespart, und die schien ihr heute Abend gekommen zu sein. Entgegen aller Wahrscheinlichkeit war sie am Leben. Doch sogar durch das leise angenehme Summen, das der Rotwein in ihrem Kopf erzeugte, kam ihr ihre Wohnung immer noch fremd vor, fast so, als ob sie jemand anderem gehörte. Und in gewisser Hinsicht war das auch so. Es gab eine unaufhebbare Unterscheidung zwischen der Person, die sie vor der Entführung gewesen war, und der Frau, die sie jetzt war.
    Aber wie auch immer, auf jeden Fall war sie zu Hause und sicher, und es war an der Zeit, dass sie ihr Leben weiterlebte. FBI und CIA hatten sie zur Geheimhaltung verpflichtet und ihr Strafverfolgung angedroht für den Fall, dass sie gegenüber Dritten auch nur ein einziges Wort über ihre Entführung verlauten ließe, deshalb konnte sie ihre Angst nicht loswerden, indem sie einfach ihre Freunde anrief und ihnen von den Ereignissen der vergangenen Tage erzählte. Aber natürlich konnte sie jederzeit Duncan anrufen …
    Gewiss, das konnte sie – wenn sie die Gefahr in Kauf nahm, von ihm zurückgewiesen zu werden. Oder die noch verwirrendere Möglichkeit, dass er sie nicht zurückwies, wodurch sie gezwungen wäre, sich der Tatsache zu stellen, dass sie im Moment von allen Menschen, die sie kannte, am liebsten mit Duncan Ryder zusammen wäre. Summer schob die Bilder von Duncan entschlossen weg und wusch ihr Geschirr vom Abendessen ab. Dann kramte sie, beseelt von dem Wunsch, wieder eine innere Verbindung zu ihrem Zuhause herzustellen, Putzmittel und Lappen aus dem Schrank unter der Spüle und begann die Küche aufzuräumen und blank zu wienern. Sie stieß auf die ungelesene Sonntagsausgabe der
New York Times
und begann flüchtig, den Nachrichtenteil durchzublättern.
    Als ihr Blick auf Seite drei in der Mitte eine Überschrift mit Foto erfasste, legte sie die Zeitung auf den Tresen und schaute genauer hin. Die Überschrift lautete “Brasilianischer Industrieller ermordet aufgefunden”. Das Bild zeigte einen Mann, den

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