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Die Formel der Macht

Die Formel der Macht

Titel: Die Formel der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasmine Cresswell
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sie erkannte: Fernando Autunes da Pereira, der Typ, der mit ihrer Stiefmutter im Zug von Washington nach New York gefahren war. Es schien schon eine Ewigkeit her zu sein, aber in Wirklichkeit war es erst letzten Samstag gewesen, Stunden bevor diese Ausgabe der Zeitung in Druck gegangen war. Und so wie es schien, war Senhor da Pereira etwa zur gleichen Zeit ermordet worden, in der sie entführt worden war. Das Leben war voller Zufälle, aber dieser Zufall war überraschend genug, um ihre Aufmerksamkeit zu fesseln. Summer lehnte die Zeitung gegen den Toaster und begann den einleitenden Absatz des Artikels zu lesen.
    Fernando Autunes da Pereira, Präsident von Industria Agricola do Norte, dem größten sich in Familienbesitz befindlichen Konzern Südamerikas, wurde in einer Suite des Carlyle, einem der vornehmsten Hotels in Manhattan, tot aufgefunden. Kurz nach 21 Uhr 30 am Samstagabend bestellte sich Senhor da Pereira ein Abendessen für zwei Personen aufs Zimmer. Als der Zimmerkellner um 22 Uhr 02 die Bestellung ausführte, wurde auf sein Klopfen hin nicht geöffnet. Nachdem ein Anruf ebenfalls unbeantwortet blieb, beschloss man, die Tür aufzubrechen. Senhor da Pereira lag mit mehreren Schusswunden im Kopf voll bekleidet auf der Couch.
    Außer der Bestätigung, dass der Tod als Mordfall behandelt wird, wollte die Polizei keine weitere offizielle Stellungnahme abgeben, weil man erst die Ergebnisse der Autopsie abwarten will.
    Senhor da Pereira war einundfünfzig Jahre alt und das Oberhaupt einer der einflussreichsten Familien Brasiliens. Er hinterlässt eine Ehefrau, Anna Xavier Salazar, und vier minderjährige Töchter.
    Summer merkte, dass ihre Hände zitterten. Sie ging mit der Zeitung ins Wohnzimmer und setzte sich auf die Couch, um den Artikel zu Ende zu lesen, der im Wesentlichen ein Nachruf war. Fernando Autunes da Pereira war der Direktor und Generalmanager von
Industria Agricola do Norte
, einem der größten und erfolgreichsten Konzerne Brasiliens gewesen, mit Beteiligungen an Bergbau, Landwirtschaft und Pharmaindustrie. Fernando gehörte zu den vermögendsten und einflussreichsten Leuten in Brasilien, und man nahm an, dass sein Tod unter seinen potenziellen Nachfolgern heftige Machtkämpfe heraufbeschwören würde. Da Pereira hatte von seinem Großvater einen bescheidenen Anteil Land sowie ein paar Gruben geerbt. Auf dieser Basis war es ihm gelungen, einen blühenden Konzern aufzubauen. Der Erfolg von
Industria Agricola do Norte
hatte ihm nicht nur erlaubt, in Luxus zu schwelgen, sondern war auch die ökonomische Grundlage für den enormen politischen Einfluss, den er in Brasilien ausübte. In einer Zeit, in der Politik und Wirtschaft oft untrennbar miteinander verwoben schienen, konnte es die brasilianische Regierung nicht überhören, wenn Senhor da Pereira die Stimme erhob.
    Früher hatte er dem Artikel zufolge große Summen in Erschließungsprojekte in Amazonien investiert, und vor zehn Jahren war er noch einer der Hauptgegner der dortigen Umweltbewegung gewesen. In den letzten drei Jahren aber hatte bei ihm ein Umdenkungsprozess stattgefunden, und kürzlich hatte er sich sogar zum Anwalt der Umwelt aufgeschwungen, indem er einen verantwortungsvolleren Umgang mit den brasilianischen Naturressourcen und eine behutsamere Erschließung des bereits in hohem Maße zerstörten Regenwaldes gefordert hatte. Er hatte sich Sendezeit im Fernsehen gekauft und dramatische Filme über die außer Kontrolle geratenen Waldbrände in Malaysia gezeigt, um der brasilianischen Öffentlichkeit die verheerenden Auswirkungen der gewaltsamen Abholzungs- und Niederbrennmethoden, die im Zuge der Erschließung angewandt wurden, vor Augen zu führen und dagegen mobilzumachen. Im Verlauf dieses Prozesses hatte er sich den starken Unwillen der restlichen Industrie zugezogen, die erkannt hatte, dass sein großer Reichtum ihm die Macht gab, die Regierung zur Einführung von Umweltgesetzen zu zwingen, deren Nichteinhaltung empfindliche Strafen nach sich zu ziehen drohte. In den vergangenen Monaten hatten sich seine Widersacher, denen es bisher nicht gelungen war, ihre Meinungsverschiedenheiten untereinander beizulegen, zusammengerauft, um mit vereinter Kraft ein Gesetz zu verhindern, das Senhor da Pereiras Verbündete im brasilianischen Kongress einzubringen gedachten. Mit diesem Gesetz sollte verhindert werden, dass weite, bisher noch unberührte Teile des brasilianischen Regenwaldes der ökonomischen Ausbeutung anheimfielen.
    Senhor

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