Die Formel der Macht
ganzer Körper wehtat. Olivia schien eine der wenigen Personen auf der Welt gewesen zu sein, die genau gewusst hatte, wo Fernando die Nacht, in der er ermordet worden war, verbringen würde. Sie hatte gewusst, dass keine Leibwächter im Zug waren. Sie wäre bestens in der Lage gewesen, einen Auftragskiller zu informieren, dass Fernando allein in seiner Suite war …
Summer riss sich zusammen und schüttelte den Kopf. Olivia war ihr ein absoluter Dorn im Auge, aber ihr einen Mord zuzutrauen hieße, ihre Abneigung entschieden zu weit zu treiben. Es war schlichtweg verrückt, Olivia zu verdächtigen, in ein Mordkomplott verwickelt zu sein, auch wenn sie diesen Verdacht nur in ihrem Kopf formulierte.
Um ihre Gedanken wieder in die richtige Richtung zu lenken, beteuerte Summer jetzt mit doppelter Inbrunst: “Bill, ich schwöre, dass ich keinen Schimmer habe, wer hinter dem Mord an da Pereira stecken könnte. Ich habe höchstens unter Umständen eine vage Spur, dass dieser Mord mit einem anderen Verbrechen zusammenhängen könnte …”
“Dann verraten Sie mir Ihre Spur. Ich gehe der Verbindung nach, falls es eine gibt.”
“Ich kann nicht.” Summers Hand krampfte sich um den Hörer. “Ich rufe Sie wieder an, ich verspreche es, aber ich muss erst noch etwas herausfinden, bevor ich mehr sagen kann.”
“Ich rufe Sie nächste Woche an.” Bill akzeptierte nur widerwillig die Endgültigkeit in ihrer Stimme. “Und, Summer …”
“Ja?”
“Dieser Fall stinkt zum Himmel. Passen Sie auf, wen Sie ins Vertrauen ziehen, und stellen Sie keine Fragen, es sei denn, Sie kennen die Antwort bereits.”
Sie lachte zweifelnd. “Es hat nicht viel Sinn, Fragen zu stellen, auf die man die Antworten bereits kennt.”
“Aber es ist viel sicherer”, erwiderte Bill. “Bevor Sie zu viele Steine umdrehen, sollten Sie sicher sein, dass keine Reptilien darunter lauern. Sie wären eine sehr leckere Mahlzeit.”
Das Telefonat mit Bill hatte sie so aufgewühlt, dass Summer ein dringendes Bedürfnis nach Rückversicherung verspürte. Sie wählte Duncans Nummer, doch nachdem ihr klar wurde, was sie gerade tat, legte sie schnell wieder auf. Um sich in den Griff zu bekommen, machte sie sich einen Eistee, und während sie die vertrauten Handgriffe ausführte, versuchte sie sich davon zu überzeugen, dass keine Notwendigkeit bestand, Duncan anzurufen. Die Person, an die sie sich wenden musste, war ihr Vater. Nicht nur weil er der Mensch war, von dem sie naturgemäß die größte emotionale Unterstützung erwarten konnte, sondern weil er zudem in seiner Funktion als Außenminister auch weit besser als jeder andere über die jüngsten Einzelheiten ihrer Entführung und Joes Verschwinden informiert sein würde.
Glücklicherweise war ihr Vater am Telefon, nicht Olivia. Er begrüßte sie herzlich und äußerte sofort seine Sorge darüber, dass sie so allein in New York einem neuerlichen Entführungsversuch ziemlich hilflos ausgeliefert sei.
Summer beteuerte, dass es ihr gut gehe. “Mach dir nichts vor, Dad. Wenn ich nicht zum Einsiedler werden will, werde ich immer eine Zielscheibe für Terroristen sein, die sich an dir schadlos halten wollen …”
“Wenn das meiner Beruhigung dienen soll, so muss ich dir leider sagen, dass deine Strategie nicht aufgeht, Summer.” Er sprach in dem trockenen Tonfall, den sie liebte, auch wenn es stets ein so großer Kontrast zur Art ihrer Mutter gwesen war, die vor Lebendigkeit übersprudelte.
Sie lächelte. “Dad, ehrlich, ich bin okay. Ich konnte letzte Nacht sogar ohne Schlaftablette schlafen.”
“Das ist wunderbar. Aber wenn du Hilfe brauchst, scheu dich nicht, darum zu bitten. Es ist keine Schande, nach dem, was dir passiert ist, durcheinander zu sein, und es gibt viele Ärzte bei der CIA, die sich mit den physischen und psychischen Störungen, die nach einer Entführung auftreten können, bestens ausk…”
“Dad, wirklich, mir geht es gut. Das Einzige, was dazu beitragen könnte, dass es mir noch besser geht, wäre, wenn ich wüsste, was mit Joe Malone passiert ist.”
“Das möchten wir alle wissen, aber ich fürchte, dass es dazu noch nichts Konkretes gibt. Ich wünschte, es gäbe etwas. Der FBI-Direktor vermutet, dass Malone und die anderen Mitglieder der Gerechtigkeitsliga mit einer normalen Linienmaschine von Orlando nach Mexico City geflogen sind. Man nimmt an, dass sie von dort aus nach Brasilien weiterreisen. Aber wie du weißt, ist es immer ein heikles Unterfangen, unsere
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