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Die Formel des Lebens: Von der Zelle zur Zivilisation (German Edition)

Die Formel des Lebens: Von der Zelle zur Zivilisation (German Edition)

Titel: Die Formel des Lebens: Von der Zelle zur Zivilisation (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Enrico Coen
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Empfänger reagiert wieder gleich auf L und R.
    (65) Selektion von Inputs für ein Neuron.
    In diesem ersten Beispiel blockiert das Feuern des Selektionsneurons einfach die Übertragung an einer Kommunikationsleitung. Nun kommen wir zu etwas komplizierteren Schemata, in denen das Feuern eines Selektionsneurons die weiterhin funktionierende Verbindung von einem Neuron auf ein anderes verschiebt. Ist zum Beispiel anfangs nur die linke Verbindung funktionell und die rechte gehemmt, dann unterbricht das Feuern eines Selektionsneurons die linke Verbindung, setzt aber die rechte in Gang. In diesem Fall verlegt das Feuern des Selektionsneurons wirksam die Aufmerksamkeit des Empfängers von einem Neuron auf ein anderes. Wieder ist diese Verlegung reversibel: Feuert das Selektionsneuron nicht mehr, so verschiebt sich die funktionelle Verbindung zurück auf den linken Input.
    Wenden wir diese Vorstellung nun auf viele Neurone an, so führt uns das zu der Situation, die in Abbildung 66 dargestellt ist. Der obere Teil der Abbildung zeigt das Bild von Mary auf einigen Photorezeptoren der Netzhaut. Diese Neurone geben ihr Signal an eine andere Neuronen-Gruppe weiter; sie arbeiten nach meiner Bezeichnung auf Ebene 1. Ich habe zwischen jedem Neuron auf Ebene 1 und den Photorezeptoren in der Netzhaut zwei Verbindungen dargestellt. Eine davon funktioniert (schwarz), die andere ist tot (grau). Die funktionalen Verbindungen weisen direkt auf die Netzhaut. Da diese Verbindungen in einer bestimmten Reihenfolge angeordnet sind, spiegelt Ebene 1 im Wesentlichen das Aktivitätsmuster auf der Netzhaut (Retina) und erstellt damit eine so genannte retinotope Karte. Die grauen Verbindungen sind in der gleichen Reihenfolge, aber versetzt angeordnet, ihre Verbindungen zu den Photorezeptoren verlaufen also schräg. Ich habe die Verbindungen zwischen Ebene 1 und der Netzhaut direkt gezeichnet, sie können aber auch sehr viel weniger direkt verlaufen und auf den verschiedensten Zwischenebenen verbunden sein (Ebene 1 kann etwa einer höheren Ebene im visuellen Cortex des Gehirns entsprechen). Wichtig für das Folgende ist aber nur, dass die verschiedenen Verbindungen auf Ebene 1 der Retinotopie folgen, also die räumliche Organisation des Auges widerspiegeln.
    (66) Beobachtung von Mary mit funktionalen senkrechten Verbindungen auf Ebene 1 (oben) beziehungsweise nach einer Bewegung des neuronalen Auges, durch die die diagonalen Verbindungen funktional werden (unten). Die Länge der senkrechten Striche in den Neuronen zeigt den Grad der neuronalen Aktivität an.
    Ich möchte nun den Begriff »Bewegung des neuronalen Auges« einführen, der eine körperliche Bewegung eines Auges bezeichnet.Wir sehen in Abbildung 66 (unten) ein Neuron, das ich Neuron »Bewegung des neuronalen Auges« nenne. Dieses Neuron wirkt sich darauf auf, welche Verbindungen von der Netzhaut zu Ebene 1 funktional sind. In meiner Darstellung verschiebt erhöhtes Feuern des Neurons »Bewegung des neuronalen Auges« alle funktionalen Verbindungen nach rechts. Physisch bewegen sich die Verbindungen nicht; verändert wird nur, welche Verbindungen neuronale Signale von den Photorezeptoren übermitteln. Die zuvor grauen Verbindungen werden also jetzt schwarz, und die zuvor schwarzen Verbindungen werden jetzt grau. Nach einer solchen Verschiebung erhält jedes Neuron auf Ebene 1 sein Signal von einer weiter entfernten Stelle auf der Netzhaut. Das Neuron zum Beispiel, auf das der weiße Pfeil gerichtet ist, erhielt anfangs kein Signal, erhält aber jetzt von Mary einen Input. Das Ergebnis entspricht also dem, was passiert wäre, wenn wir die ursprünglichen Verbindungen beibehalten und die Netzhaut nach rechts verschoben hätten. Das Neuron »Bewegung des neuronalen Auges« verhält sich ähnlich wie das Augenbewegungsneuron im vorigen Kapitel (Abb. 59 auf S. 225). Nur verschieben wir jetzt intern funktionale Verbindungen und nicht mehr physisch die Netzhaut.
    In unserem Beispiel wurden die Inputs um ein einziges Neuron nach rechts verschoben; es sind aber auch andere Verschiebungen denkbar. Dafür bräuchten wir zwischen jedem Neuron auf Ebene 1 und der Netzhaut mehr tote Verbindungen, die sich an der Netzhaut entlang weiter nach links und rechts erstrecken würden. Zu einem gegebenen Zeitpunkt wäre immer nur eine dieser vielen potenziellen Verbindungen zu jedem Neuron auf Ebene 1 funktional. Wir könnten das Modell nach folgender Regel einrichten: Je stärker das Neuron »Bewegung

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