Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Formel des Lebens: Von der Zelle zur Zivilisation (German Edition)

Die Formel des Lebens: Von der Zelle zur Zivilisation (German Edition)

Titel: Die Formel des Lebens: Von der Zelle zur Zivilisation (German Edition)
Autoren: Enrico Coen
Vom Netzwerk:
Wandel lässt sich auf vielerlei Art und Weise beschreiben. Man könnte die Bedeutung von Machtkämpfen hervorheben, den Einfluss des Handels, die Führungsrolle charismatischer Persönlichkeiten, die Bedeutung von Innovation und Imitation sowie die wichtige Rolle von Transport und Kommunikation. Ich möchte das Problem aus einer anderen Perspektive betrachten.
    Wir haben gesehen, wie wir einige Grundprinzipien erkennen, wenn wir einen Schritt zurücktreten und untersuchen, was verschiedenen Wandlungsprozessen des Lebens gemeinsam ist – Evolution, biologische Entwicklung und Lernen. Als nächstes möchte ich den kulturellen Wandel mit hineinnehmen. Dass einige unserer Prinzipien bei kulturellen Wandlungsprozessen eine fundamentale Rolle spielen, ist bereits vermutet worden. Die Historiker J.R. und William McNeill zum Beispiel haben betont, welche Antriebsrolle Wettbewerb und Kooperation für den kulturellen Wandel beim Menschen spielen. 119 Die vollständige Reihe von Parametern und Interaktionen in der Formel des Lebens war aber bisher noch nie Grundlage für die Betrachtung des kulturellen Wandels. Das menschliche Verhalten stellt derart viele Elemente zur Auswahl, dass unsere Reihe von sieben Prinzipien und ihre wechselseitigen Beziehungen sich nicht gerade aufdrängen. Erst aus einem weiteren Blickwinkel, der alle biologischen Wandlungsprozesse umfasst, kristallisiert sich diese Sicht auf den kulturellen Wandel heraus. Und damit, glaube ich, können wir nicht nur vollständiger begreifen, wie es zum kulturellen Wandel kommt, sondern auch deutlicher sehen, wie er mit unserer biologischen Vergangenheit zusammenhängt.
    Dazu möchte ich ein bestimmtes Beispiel aus dem kulturellen Bereich heranziehen. Beispiele gäbe es viele, von Krieg über Mode bis zur Wissenschaft oder zur Kunst. Ich habe mich für eine Begebenheit aus dem Leben von Leonardo da Vinci entschieden, weil ich zeigen möchte, dass sogar ein solcher Sonderfall kultureller Leistung sich durch die Brille der Prinzipien betrachten lässt, die wir herausgearbeitet haben.
DER LEHRLING
    Mitte des 15. Jahrhunderts konkurrierten in Florenz zwei Goldschmiede, Andrea Verrocchio und Antonio Pollaiuolo. 120 Florenz war damals eine blühende Stadt, berühmt für ihre Stoffwebereien und Sitz der mächtigen Bankiersfamilie der Medici. Goldschmiede waren daher bei den reichen Bürgern sehr gefragt, um Kunstgegenstände und Schmuck herzustellen. Verrocchio und Pollaiuolo konkurrierten in dieser lukrativen Situation um die besten Aufträge. Doch ihr Ehrgeiz war mit der Stellung als führende Goldschmiede nicht befriedigt. Beide wollten ihr Vermögen und ihren guten Ruf noch weiter mehren, indem sie neue Wege gingen. Verrocchio machte sich an die Bildhauerei, und Pollaiuolo etablierte sich als Maler. Pollaiuolos erstes großes Werk war ein Zyklus von drei großen Gemälden auf Leinwand, Die Taten des Herkules , die um 1460 für den Stadtpalast der Medici entstanden. Die Arbeit an den großen Formaten erforderte die Hilfe von Antonios jüngerem Bruder Piero Pollaiuolo. Die Originalgemälde sind zwar verschollen, aber eine kleinere Version des Bildes Herkules und die Hydra von Antonio Pollaiuolo (Abb. 80) vermittelt zumindest einen guten Eindruck davon. Die Gemälde galten als Erfolg, die Gebrüder Pollaiuolo erhielten daraufhin weitere lukrative Aufträge und wurden zu namhaften Florentiner Malern.
    (80)  Herkules und die Hydra . Antonio Pollaiuolo, um 1475.
    Andrea Verrocchio hatte in seinem neuen Betätigungsfeld, der Bildhauerei, ebenfalls Erfolg; vielleicht war es der Erfolg seines Rivalen, der ihn Ende der 1460er Jahre ebenfalls zum Pinsel greifen ließ. Da er keinen Bruder hatte, der ihm hätte assistieren können, stellte Verrocchio Assistenten und Lehrlinge ein. Über die Jahre gehörten zu seinen Assistenten Maler wie Sandro Botticelli, Domenico Ghirlandaio und Pietro Perugino, die später alle selbst berühmte Künstler wurden. Unter den Lehrlingen fanden sich Lorenzo di Credi und als berühmtesterLeonardo da Vinci. Leonardo war 1452 in dem Hügeldorf Vinci etwa 30 Kilometer westlich von Florenz geboren worden. Er war der uneheliche Sohn des Notars Ser Piero da Vinci und eines Bauernmädchens namens Caterina; erzogen wurde er im Haus seines Großvaters väterlicherseits. Leonardo zeigte schon früh sein Zeichentalent, weshalb ihn sein Vater im Jugendalter als Lehrling bei Verrocchio unterbrachte. Etwa um dieselbe Zeit begann Verrocchio mit der Malerei.
    Das
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher