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Die Formel des Lebens: Von der Zelle zur Zivilisation (German Edition)

Die Formel des Lebens: Von der Zelle zur Zivilisation (German Edition)

Titel: Die Formel des Lebens: Von der Zelle zur Zivilisation (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Enrico Coen
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Population auf immer höhere Standards getrieben wird. Und wenn Populationen sich aufspalten, divergieren und wieder aufeinandertreffen, findet derselbe Ablauf parallel bei vielen Arten statt, wobei jede Art mit den anderen um den geeigneten Lebensraum in einem komplexen Ökosystem konkurriert. Der Kontext für die Evolution steht also nicht fest; er driftet kontinuierlich weiter und wird vom evolutionären Prozess selbst fortwährend neu definiert.
    Bei all diesem Abdriften und Neudefinieren des eigenen Kontextes mag man sich fragen, wie eigentlich der allererste Kontext aussah. Das Leben nahm seinen Ursprung vor etwa 3,8 Milliarden Jahren, doch die genauen Umstände, unter denen die ersten Lebensformenaufkamen, sind unbekannt. Dabei ist es unwahrscheinlich, dass es einen klar definierten Startpunkt gegeben hat, weil, wie wir jetzt wissen, die Evolution auf zahlreichen Rückkopplungsschleifen beruht, die ihrer Natur nach keinen eindeutigen Startpunkt aufweisen. 21 Simple Molekülhaufen mit einer elementaren Fortpflanzungsfähigkeit könnten einen allerersten Versuch von Kooperation und Persistenz dargestellt haben. Die Replikation könnte solche Konstrukte dann gestärkt haben, so dass es irgendwann zum Wettbewerb um begrenzte Ressourcen kam. Bei der Reproduktion aufgekommene Varianten hätten dann weiteren Runden von Verstärkung und Wettbewerb unterlegen, was die Kooperation immer weiter vorantrieb. Mit zunehmender Kooperation würde die vielfältige Kombination der Komponenten zu größerem kombinatorischem Reichtum und immer mehr unterschiedlichen Möglichkeiten führen. Dieser Ablauf fand dann immer und immer wieder statt, bis die ersten Formen dessen, was wir als Lebewesen bezeichnen würden, entstanden. Der Kontext des frühen Lebens hätte sich demnach schleichend in einer Folge von Rückkopplungsschleifen und Wechselwirkungen ergeben und nicht in einem klar abgegrenzten Schritt.
    Welche Mechanismen auch immer zu diesen ersten Regungen des Lebens geführt haben mögen, den Reichtum des Lebendigen boten diese frühen Ereignisse jedenfalls nicht, genauso wenig wie die Vielfalt der Malerei in den ersten menschlichen Kritzeleien im Sand enthalten war. Der Reichtum des Lebendigen beruht vielmehr darauf, wie umfassend sich diese anfänglichen Regungen mit der Zeit veränderten. Als sich die ersten Populationswolken bildeten, trieben sie sich selbst an und wanderten auf den verschiedensten Wegen durch den genetischen Raum. Manche teilten sich und bildeten neue Wolken, andere wurden ausgedünnt bis zum Aussterben, aber sie wanderten pausenlos weiter, trieben sich selbst und die anderen beständig weiter durch den weitläufigen Raum der genetischen Möglichkeiten. Diese Wanderungen schufen das vielfältige Gewebe von Mustern und Formen des Lebendigen.
    Unsere sieben Prinzipien – Populationsvariabilität, Persistenz, Verstärkung, Wettbewerb, Kooperation, kombinatorischer Reichtum und Rekurrenz – und ihr Wechselspiel liefern die Antriebskraft für diese Wanderungen und führten zu der bemerkenswerten Vielfalt der Organismen, die wir heute vorfinden. Eben diese Reihungvon sieben Prinzipien und ihre Art des Zusammenspiels nenne ich die Formel des Lebens . Diese Formel ist in der physischen Welt verwurzelt. Sie unterliegt dem Wirken physikalischer Kräfte und den Grenzen einer endlichen Welt. Denn Leben ist eine Ausdrucksform der Materie. Allerdings eine sehr eigentümliche Ausdrucksform, die sich zu entwickeln begann, als sich die Parameter für die Formel des Lebens vor mehreren Milliarden Jahren erstmals vereint fanden.
    Die Evolution ist ein Wandlungsprozess, der selbst wiederum mehrere andere Wandlungsprozesse ermöglicht hat – die Entwicklung von Eizellen zu ausgewachsenen Lebewesen, die Umwandlung Neugeborener zu hoch entwickelten Erwachsenen, und den Wandel von Stammesgesellschaften zu komplexen Kulturen. Wie lassen sich diese Wandlungsprozesse mit der Evolution vergleichen? Um hier zu einer Antwort zu gelangen, müssen wir zunächst untersuchen, wie diese anderen Wandlungsprozesse funktionieren. Beginnen wir mit der biologischen Entwicklung, dem ersten Wandlungsprozess, der sich aus der Evolution ergab.

K APITEL 3
GESPRÄCHE IM EMBRYO
    Ein Briefträger klopft an Ihrer Tür und überreicht Ihnen einen Umschlag mit einer Einladungskarte. Sie lesen: »Wir freuen uns, Sie zu einer Teegesellschaft zu Ehren von Alan Turing einladen zu dürfen.« Einem Freund, der viel auf sein Allgemeinwissen hält, zeigen

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