Die Formel des Lebens: Von der Zelle zur Zivilisation (German Edition)
darstellen würde, so wäre die RNA die Fotokopie von einem Teil einer Seite (dem codierenden Bereich). Von einem Gen lassen sich viele RNA-Moleküle herstellen, also viele Kopien von derselben Seite. Nach dem Kopiervorgang wandern die RNA-Moleküle aus dem Zellkern hinaus in die umgebende Zellflüssigkeit, das Zytoplasma, wo die Zellapparatur die Informationen auf der RNA in die Aminosäuresequenz eines Proteins übersetzt. Anschließend faltet sich das Protein zu einer bestimmten Form auf, die von seiner Aminosäuresequenz festgelegt wird. Der gesamte Prozess lässt sich zusammenfassen mit der Formel »DNA macht RNA macht Protein«.
(16) Typisches Gen mit Darstellung des Vorgangs, über den DNA-Information in eine RNA-Kopie transkribiert und von dort in die Aminosäurensequenz eines Proteins übersetzt wird.
Obwohl alle Zellen eines Individuums dieselben DNA-Informationen enthalten, werden in den verschiedenen Zellen unterschiedliche Gene zur RNA-Synthese kopiert. Das ist wie in einer Bibliothek mit mehreren Räumen (den Zellen), die alle denselben Buchbestand enthalten. Bestimmte Seiten aus den Büchern werden in einem Raum kopiert, andere Seiten in einem anderen Raum. Wenn ein Gen kopiert wird, sagt man, es ist angeschaltet; wenn dagegen gerade keine Kopien angefertigt werden, bezeichnet man das Gen als ausgeschaltet. Allerdings hat dieser Schalter nicht nur zwei Stellungen – es lassen sich nämlich verschiedene Raten festlegen, mit denen die DNA kopiert werden soll. Welche Faktoren bestimmen nun den Grad der Genaktivität, also die Stellung des An- und Ausschalters?
Mit dieser Frage kommen wir jetzt zum Regulationsbereich. In Abbildung 17 sehen wir die vereinfachte Darstellung eines Regulationsbereichs unserer Gene. Wie wir sehen, sind daran mehrere Proteine gebunden, hier dargestellt als Äpfel und Zitronen. Diese Schlüsselproteine heißen Regulatorproteine oder Transkriptionsfaktoren. Regulatorproteine können kurze DNA-Abschnitte erkennen und daran binden. Das Regulatorprotein Apfel bindet an die DNA-Sequenz, die mit dem kurzen dunkelgrauen Strang dargestellt ist, das Regulatorprotein Zitrone dagegen bindet an die hellgrauen Sequenzen. Durch ihre Bindung an die DNA können Regulatorproteine die Transkription eines Gens aktivieren oder hemmen, also die Genaktivität an- oder abschalten. Sie tun das, indem sie die Kopierapparatur der RNA motivieren oder aber hindern, am Gen anzudocken und das Gen zu transkribieren. Stellen wir uns vor, das Regulatorprotein Apfel fördert die Transkription des Gens, wenn es gebunden ist; es schaltet das Gen an. Das Apfelprotein wäre demnach ein Genaktivator. Das Regulatorprotein Zitrone dagegen könnte ein Inhibitor sein, der mit seiner Bindung die Gentranskription hemmt, das Gen also herunter- oder ausschaltet. Wie weit ein Gen an- oder ausgeschaltet ist, hängt vom Gleichgewicht zwischen Aktivator und Inhibitor ab, die an seinem Regulationsbereich binden.
(17) Proteine, die am Regulationsbereich eines Gens binden.
Man wird sich fragen, wo die Regulatorproteine, die Äpfel und Zitronen, eigentlich herkommen. Sie werden selbst durch andere Gene codiert – das Zitronenprotein von einem Gen und das Apfelprotein von einem anderen. Bestimmte Gene codieren also für Proteine, die selbst wiederum andere Gene regulieren. Eines der Resultate dieser Wechselbeziehung zwischen verschiedenen Genen und Proteinen ist die Musterbildung.
DER KAMPF DER MOLEKÜLE
Am besten untersucht wurde die Musterbildung bei der Taufliege Drosophila melanogaster . An dieser lassen sich Mutationen und Gene gut studieren, weil sie sich schnell reproduziert und leicht in großer Zahl im Labor zu züchten ist. Wir betrachten als Beispiel die Bildung eines bestimmten Zelltyps, eines Neuroblasten, im Lauf der biologischen Entwicklung der Taufliege. 28 Neuroblasten sind die Zellen, aus denen sich später das Nervensystem der Fliege entwickelt. Der obere Bereich von Abbildung 18 zeigt eine kleine Region des sich entwickelnden Fliegenembryos, in dem gerade zwei Neuroblasten entstehen. Wir sehen anfangs zwei Gruppen hellgrau markierter Zellen, von denen jeweils nur eine einzige zum Neuroblast (dunkelgrau) wird. Damit stellt sich eine Grundfrage der Musterbildung: Wie wird eine Zelle von ihren Nachbarn zum Neuroblast erkoren?
(18) Neuronale Musterbildung bei Fliegen.
Einen Hinweis bekommen wir von mutierten Embryonen, bei denen die Musterbildung fehlerhaft abläuft. Der untere Bereich von Abbildung 18
Weitere Kostenlose Bücher