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Die Formel des Lebens: Von der Zelle zur Zivilisation (German Edition)

Die Formel des Lebens: Von der Zelle zur Zivilisation (German Edition)

Titel: Die Formel des Lebens: Von der Zelle zur Zivilisation (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Enrico Coen
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veränderte Aktivität dieses Photorezeptors kann zwar aussagen, dass sich irgendetwas verändert hat, seine Aktivität ist aber nicht proportional zum Grad der Augenverschiebung. Das gilt auch für jeden anderen Photorezeptor – ein einzelnes Rezeptorneuron kann nicht proportional zum Grad der Augenbewegung reagieren.
    Um dieses Problem zu lösen, könnten wir die Informationen mehrerer Photorezeptoren bündeln, wie Abbildung 60 vorführt. Im oberen Bildabschnitt sehen wir drei Neurone, A, B und C (ABC), die jeweils Signale von mehreren Photorezeptoren erhalten. All diese Verbindungen verfügen über stimulierende Synapsen (Pluszeichen). Die Inputs für Neuron A kommen vom linken Drittel der Netzhaut, für B von der Mitte und für C vom rechten Drittel der Netzhaut. Das heißt, jedes dieser Neurone blickt de facto durch ein Fenster, das so genannte Aufnahmefeld. Das Fenster für das mittlere Neuron, B, liegt vor dem mittleren Teil des grauen Gegenstandes, also feuern sämtliche Inputs. Die Gesamtaktivität für Neuron B ist also hoch. Die Fenster für die seitlichen Neurone A und C umfassen sowohl graue als auch schwarze Bereichedes Bildes; zusammen genommen liegt ihre Feuerungsrate also im mittleren Bereich (das symbolisieren die kürzeren senkrechten Striche darin).
    (60) Bündelung visueller Informationen von Photorezeptoren. Unten hat sich die Netzhaut durch das Feuern eines Augenbewegungsneurons nach rechts verschoben. Die Länge der senkrechten Striche in den Photorezeptoren zeigt den Grad der neuronalen Aktivität an.
    Verschiebt sich, wie im unteren Kasten dargestellt, die Netzhaut leicht nach rechts, so steigt die Aktivität von Neuron A an, da sein Fenster jetzt einen größeren Teil des grauen Gegenstands abdeckt. Die Aktivität von B bleibt gleich, während die von C sinkt, weil jetzt mehr von dem schwarzen Hintergrund ins Fenster gerät. Je weiter die Netzhaut sich nach rechts verschiebt, desto stärker steigt A und sinkt C (in bestimmten Grenzen). Würde sich die Netzhaut dagegen nach links verschieben, fiele die Aktivität von A ab, während die von Canstiege. Das Feuerungsmuster der Neurone A und C kann uns also einen Messwert liefern, der sich proportional zur Verschiebung der Augen verhält – die Feuerungsrate von A korreliert positiv mit Rechtsverschiebungen, und die Feuerungsrate von C mit Linksverschiebungen. Die Wahrnehmung visueller Verschiebungen ist eine kooperative Leistung, die das Zusammenspiel vieler Neurone voraussetzt.
    Nehmen wir nun an, dass unser Gehirn Informationen, wie sie die Neurone A, B und C liefern, zur Stimulierung eines Neurons nutzen kann, das ich als Sichtverschiebungsneuron bezeichne; es ist im unteren Bereich von Abbildung 60 dargestellt. Wir richten es so ein, dass ohne Veränderung im Netzhaut-Input das Sichtverschiebungsneuron nicht feuert. Je stärker die Netzhaut sich nach rechts verschiebt, desto stärker feuert das Sichtverschiebungsneuron. Wir nehmen zudem an, dass unser Sichtverschiebungsneuron dieses Verhalten unabhängig davon aufweist, was für ein Bild vorgeführt wird. Mein Beispiel war das eines grauen Gegenstands vor schwarzem Hintergrund, aber wir nehmen jetzt an, dass das Sichtverschiebungsneuron auf viele andere Bilder ähnlich reagiert. Bei einem gegebenen Bild feuert unser Sichtverschiebungsneuron so stark, wie es der graduellen Verschiebung auf der Netzhaut entspricht. 82 Wie genau das vor sich geht, braucht uns hier nicht zu kümmern; wichtig ist lediglich, dass die gebündelte visuelle Information aus Neuronen wie den ABC-Neuronen zur Generierung eines Signals genutzt wird, das mit der Augenverschiebung korreliert. (Genau genommen reagiert das Signal auf Winkelverschiebungen, weil das Feuern des Sichtverschiebungsneurons von der Winkelverschiebung abhängt, die die Drehung des Auges bewirkt.)
ERLERNEN DER KALIBRIERUNG
    Wir haben es jetzt mit zwei korrelierenden Veränderungen zu tun – dem Feuern des Augenbewegungsneurons und dem Feuern des Sichtverschiebungsneurons. Damit besteht eine Verbindung zwischen der Welt der Handlungen und der der Wahrnehmung. Je stärker das Augenbewegungsneuron feuert, desto stärker verschiebt sich das Auge nach rechts (Handlung), und das wiederum verändertden visuellen Input und erhöht die Feuerungsrate des Sichtverschiebungsneurons (Wahrnehmung). Ich möchte jetzt vorführen, wie sich so ein System kalibrieren lässt. Statt Tabellen und Linien zu zeichnen wie für die Bombarde, wird die Kalibrierung

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