Die Formel (Ein Fall für Die Nachtfalken - Band 1) (German Edition)
Wohnungstür hinter sich schloss. Sie schälte sich aus ihrer Jeansjacke, hängte sie an die Garderobe und schmiss die Handtasche auf den Boden im Flur. Dann ging sie in die Küche und durchsuchte den Kühlschrank nach Mineralwasser.
Gerade streckte sie ihre Hand nach einer Flasche Vittel aus, da ließ sie ein metallisches Klicken herumfahren. Mit Entsetzen hörte sie, wie ihre Wohnungstüre geöffnet und wieder geschlossen wurde, dann schwere Schritte im Flur. Niemand außer ihr hatte einen Schlüssel zu dieser Wohnung.
Mit angehaltenem Atem starrte sie auf den Mann, der in ihrer Küchentür erschien.
3
26 Stunden vorher
Dicke Regentropfen klatschten gegen die Scheiben der Stadtvilla in Grünwald. Im rötlichen Licht der Außenbeleuchtung liefen sie wie Blut an den Scheiben herunter. Die Fichten im Garten bogen sich unter dem Wind, Donner grollte in der Ferne. Kaum ein Licht durchdrang die Finsternis vor dem Haus, die Straßenlaternen waren nur noch zu erahnen.
Professor Heinrich Dittmann lockerte seinen Krawattenknoten, zog die Vorhänge zu und setzte sich mit seinem Cognacglas in den Ohrensessel am offenen Kamin. Er lehnte sich zurück und genoss den Duft des Feuers, des Courvoisier XO Imperial und der alten Bücher um ihn herum. Bachs Matthäus-Passion lieferte die perfekte Klangkulisse.
Sein Blick fiel auf das einzelne Foto, das in einem filigranen Holzrahmen auf dem Kaminsims stand. Er hatte das Bild in den letzten Jahren so oft zur Hand genommen, dass das Holz des Rahmens a bgegriffen war. Margarete. Seit achtunddreißig Jahren war seine Frau nun schon tot, doch er dachte noch oft an sie. Vielleicht würde er sie bald wiedersehen. Ein leichter Herzinfarkt vor einigen Wochen hatte ihn an seine eigene Sterblichkeit erinnert. Die notwendige Bypass-Operation lehnte er ab. Er bevorzugte einen schnellen Tod, kein qualvolles Dahinsiechen, künstlich von Maschinen am Leben erhalten. Zwar hatte er sein Lebenswerk noch nicht abschließend vollendet, aber er war voll Hoffnung, dies in den nächsten Monaten zu schaffen.
Ein Krachen, das aus dem rückwärtigen Teil des Hauses zu kommen schien, riss ihn aus seinen Gedanken. Ein paar Tropfen des edlen Cognacs waren auf seine r Hand gelandet.
Dieser Krach kam nicht vom Gewitter. Er richtete sich auf.
Mehrere Paar schwerer Stiefel knallten über die Fliesen im Foyer, die Tür zu seinem Arbeitszimmer flog auf.
Der Professor spran g auf, das Glas fiel ihm aus der Hand. Die bernsteinfarbene Flüssigkeit tränkte den weißen Teppich.
Drei Männer in schwarzen Kampfanzügen drängten in den Raum. Zwei von Ihnen bauten sich neben der Tür auf und richteten ihre M aschinenpistolen auf seine Brust.
Der dritte Mann, lang und drahtig mit einem dunklen Pferdeschwanz, trat so nah auf ihn zu, dass er die geplatzten Äderchen auf seiner Nase erkennen konnte. „Wo ist die Formel?“, bellte er ihn an.
„Die werden Sie nicht bekommen“, krächzte der Professor. Sie trugen keine Gesichtsmasken. Nun würde er sein Lebenswerk nicht mehr selbst abschließen können, stellte er mit Bedauern fest. Aber wenigstens konnte er jetzt zu Margarete. Daran klammerte er seine Hoffnung. Wie oft hatte er sich schon mit seinem eigenen Tod auseinandergesetzt, nicht zuletzt, weil das Sterben ein Bestandteil seines Berufs als Onkologe war. Doch als er dem Tod nun in die Augen sah, bekam er Angst. Angst vor Schmerzen, Angst vor der Endgültigkeit. Er versuchte, dem Kerl mit dem Pferdeschwanz in die Augen zu sehen, ohne seine Gefühle zu zeigen. Sein Herz hämmerte, ein schmerzhafter Druck breitete sich von seiner Brust in die Arme und in den Hals aus. Er presste eine Faust auf sein Herz. Seine Beine zitterten, der Atem zischte durch seine Zähne.
„Wir werden sie bekommen, mit oder ohne Ihre Hilfe. Tun Sie sich selbst einen Gefallen und geben Sie sie uns.“ Ohne Vorwarnung stieß der Mann ihm den Lauf der Maschinenpistole in den Magen.
Der Professor krümmte sich aufstöhnend zusammen und stützte sich an seinem Sessel ab. Mühsam richtete er sich wieder auf und blickte seinem Gegenüber in die Augen. „Bringen Sie es hinter sich“, keuchte er.
„So einfach kommen Sie mir nicht davon.“ Den Unterkiefer vorgeschoben, packte er die Krawatte des Professors knapp unter dem Knoten und drehte sie um seine Faust. „Raus jetzt mit der Sprache.“
Der Professor bekam keine Luft mehr, der Druck in seiner Brust wurde zu einem brennenden Schmerz, der seinen ganzen Körper
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