Die Formel (Ein Fall für Die Nachtfalken - Band 1) (German Edition)
Hand unter seinen Kopf.
Wie verletzlich er aussah. Sie streckte die Hand aus, um über die feinen Härchen in seinen gebräunten Nacken zu streichen. Auf halbem Weg sank ihre Hand herab. Stattdessen schaltete sie PC und Monitor aus, dimmte das Deckenlicht und legte sich auf die Couch. Sie kuschelte sich in die bereitliegende Wolldecke und schloss die Augen. Ihre Arme und Beine schmerzten vor Müdigkeit, doch der Schlaf wollte nicht kommen.
Vor ihrem inneren Auge tanzten die Zeichen des letzten Rätsels. Dann tauchten Bilder von Rick, Peter und Luke auf. Die ganze Situation kam ihr wieder einmal vollkommen irreal vor, so als ob sie jeden Moment aus einem Traum aufwachen würde und müsste wieder zu ihrem Job bei dem Immobilienmakler. Würde sie wohl jemand aus ihrem alten Leben vermissen? Ihr Chef, die Kollegen, Bekannte. Sie hatten sie bestimmt inzwischen vergessen, nachdem sie von ihrem ach so tragischen Unfall genug geredet hatten. Ihr fiel aber auch niemand ein, den sie besonders vermisste. Simone nach ihrem letzten Treffen nun auch nicht mehr. Stefan vielleicht ein wenig, aber zu den Bekannten, mit denen sie ins Kino oder in die Disco gegangen war, hatte sie kein besonders enges Verhältnis gehabt.
Marion tauchte aus der Vergangenheit auf, vielleicht ihre einzige echte Freundin. Die flippige junge Frau hatte sie oft zu den verrücktesten Veranstaltungen mitgenommen. So waren sie zum Schlammcatchen gegangen oder als Horrorbraut verkleidet in das Kino, wo jeden Tag die Rocky-Horror-Picture-Show gezeigt wurde. Es war jeden Tag ausverkauft und das Publikum sprach und spielte den ganzen Film mit. Doch Marion war vor einem halben Jahr nach Ghana gegangen, um bei einem Aufbauprojekt zu helfen. Ohne Marion hatte Sara in den letzten Monaten ihre Freizeit entweder mit Bekannten oder mit irgendeinem austauschbaren Lover verbracht. Männer wie Stefan. Alleinsein ertrug sie nur schwer, das Zusammensein mit einem dieser Typen konnte sie wenigstens kurzzeitig davon ablenken.
Sie starrte im Dämmerlicht zu Luke hinüber. Er war anders. Ihre Augen brannten.
Sara erwachte am nächsten Vormittag um Viertel nach elf. Ihr Körper fühlte sich steif an. Sie streckte sich und sah sich blinzelnd um. Peter saß an seinem Platz, neben ihm stand Luke. Sie sahen beide auf den Monitor.
In diesem M oment kam Rick mit einer Bäckertüte herein. „Guten Morgen, Sara. Wie wär‘s mit einem Krapfen?“ Er hielt ihr die offene Tüte hin. Schmalzgeruch kam ihr entgegen.
Angewidert schüttelte sie sich. „Später vielleicht, danke.“ Sie stand auf und legte die Decke zusammen.
Luke und Peter nahmen sich von den Krapfen und aßen, während sie weiter auf den Monitor blickten. Rick verzog sich auf seinen Chefsessel und kaute genüsslich auf seinem Krapfen herum, der Puderzucker zauberte einen weißen Bart um seinen Mund.
Sara ging zu Peter und Luke hinüber. „Na, gut geschlafen?“, fragte sie Luke.
„Ja, super. Meine Arme wollen gar nicht mehr aufwachen. Und, hattest du noch eine Idee gestern?“ Er deutete auf den Monitor, auf dem das Bilderrätsel prangte.
Sie musterte die Zeichen und schüttelte den Kopf. Ihre schlaftrunkenen Augen zeigten ihr ein verschwommenes Bild. Sie kniff die Augen zusammen. Dann fiel ihr etwas auf.
„Da, seht mal. Es ist doch eigentlich nicht so schwer. Da haben wir das bayerische Wappen, ein Blatt Papier und eine Feder. Also ein Schriftsteller in oder aus Bayern. Dann diese Schilder, ‚Sc’ und ‚r’ durchgestrichen. Das ergibt doch ‚hilde’. Ein brennendes Haus, also ein Brand. Und ein Haus. Was sagt uns das?“
Die anderen sahen sie fragend an.
„Das Hildebrand-Haus!“, rief sie.
„Und was soll das sein?“, wollte Peter wissen.
Doch Luke unterbrach ihn. „Na klar! Im Hildebrand-Haus ist eine Bibliothek mit einer großen Sammlung von Nachlässen bedeutender bayerischer Schriftsteller. Aber was sollen die Strichmännchen und dieses undefinierbare Dingsda?“
Doch Sara zuckte die Schultern. „Keine Ahnung. Jetzt seid ihr dran. Ich geh erstmal duschen.“
Luke nickte ihr zu. „Okay, und dann schauen wir uns mal im Hildebrand-Haus um.“
42
Sie fuhren nach Bogenhausen, einem Stadtteil von München in die Maria-Theresia-Straße.
Luke genoss die Nähe von Saras Körper an seinem Rücken. Ihre Arme waren um seinen Leib geschlungen.
Er parkte die Dukati vor dem Hildebrand-Haus, einer barocken Stuckvilla. Die Mittagssonne tauchte den prachtvollen Bau in gleißendes Licht.
Sara
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