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Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Titel: Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexis Jenni
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nehmen gedenke und brachte ihm den Schlüssel. Dann betrank er sich ganz allein; und anschließend schlief er in dem Schlafzimmer, das er für sich ausgesucht hatte, einem kleinen, fensterlosen Raum. Er bat Salagnon, diesen Raum abzuschließen und den Schlüssel dafür so lange zu behalten, wie die Wirkung des Alkohols anhielt. Denn er fürchtete, er könne sonst aus dem Fenster fallen oder auf der Treppe ausrutschen, was hier tödliche Folgen haben würde. Am folgenden Tag öffnete Salagnon ihm die Tür, und dann nahm Goranidzé wieder seine tadellose Haltung an, ohne die Ereignisse des Vortags mit einem Wort zu erwähnen. An solchen Tagen putzte er die Räume, die sie nicht benutzten. Der Nachschub versorgte sie neben den zu verteilenden Waffen und dem auszuzahlenden Sold mit genügend Wein für penibel geregelte Besäufnisse. Aber die Post fand den Weg nur in eine Richtung, Euridice antwortete nie auf die Bilder, die er ihr schickte, diese Tuschezeichnungen von in den Himmel ragenden kleinen Klippen, von denen sie nie glauben würde, dass es sie tatsächlich gab; er hätte sich gewünscht, dass sie ihr Erstaunen darüber ausdrücken würde und er ihr postwendend versichern könne, dass er all das, was er zeichnete, tatsächlich sah. Er bedauerte, dass er ihr nicht wenigstens in Briefen die Realität seiner Gedanken versichern konnte. Er verlor immer mehr den Bezug zur materiellen Welt.
    Es war einfach, Partisanen zu rekrutieren. Auf diesen von Fischern und Schwalbenjägern bevölkerten Inseln war kein Geld im Umlauf, und man sah keine anderen Waffen als uralte chinesische Gewehre, die nie benutzt wurden. Oberleutnant Salagnon verteilte Reichtümer im Überfluss, wenn ihm die jungen Männer versprachen, dafür jeden Morgen zu kommen, um ein paar Übungen zu machen. Die Fischer kamen in Gruppen, zögerten, und einer von ihnen verpflichtete sich eingeschüchtert unter dem Gelächter der anderen mit seiner Unterschrift; er malte ein Kreuz unten auf das rosafarbene Formular, das manchmal zerriss, wenn jemand den Bleistift nicht richtig hielt oder wenn das Papier zu feucht war. Dann nahm er ein Gewehr entgegen, das von Hand zu Hand ging, und ein Bündel Piaster, das er ganz eng in einen Beutel einrollte, den er um den Hals trug und in dem sich auch sein Tabak befand. Sehr bald gab es keine Formulare mehr, und Salagnon ließ sie ihr Kreuz auf kleine weiße Zettel malen, das er abends ausradierte, denn es war die Geste, die zählte, niemand auf dieser Insel konnte lesen.
    Morgens exerzierte er mit den Rekruten am Strand. Viele fehlten. Sie traten nie vollzählig an. Sie schienen nichts zu lernen, gingen mit den Waffen immer gleich schlecht um, als seien es Schießeisen, deren Knall sie immer noch zusammenzucken und immer noch laut auflachen ließ. Als er die Gesichter und die Verwandtschaftsbeziehungen besser zuordnen konnte, wurde ihm klar, dass sie turnusmäßig kamen, immer einer aus jeder Familie, aber nicht immer derselbe. Man schickte ihm die jungen Leute, die nicht sehr aufgeweckt waren und die sich beim Fischfang eher ungeschickt anstellten. Auf diese Weise hatten sie eine Beschäftigung ohne allzu großes Risiko und brachten einen Sold heim, der unter der ganzen Familie aufgeteilt wurde. Salagnon begab sich ins Dorf, wo er in einem langen Haus aus geflochtenem Holz empfangen wurde. Er spürte im Halbdunkel den Rauch und den Geruch von Fischsoße, ein alter Mann hörte ihm ernst zu, ohne ihn wirklich zu verstehen, aber er nickte nach jedem Satz, bei jedem Rhythmuswechsel dieser Sprache, die er nicht kannte. Der junge Mann, der für ihn dolmetschte, sprach schlecht Französisch, und wenn Salagnon den Krieg, die Vietminh, das Rekrutieren von Partisanen erwähnte, übersetzte der Mann das mit langen, verwickelten Sätzen, die er mehrmals wiederholte, als gäbe es keine Worte, um das auszudrücken, was Salagnon sagte. Der alte Mann nickte immer höflich, auch wenn er nichts zu verstehen schien. Doch plötzlich funkelten seine Augen; er lachte, richtete sich direkt an Salagnon, der mit einem breiten Lächeln aufs Geratewohl zustimmte. Der alte Mann rief etwas ins Halbdunkel, und daraufhin näherte sich ein Mädchen mit sehr langem schwarzem Haar; die junge Frau blieb mit gesenktem Blick vor ihnen stehen. Sie trug nur ein Wickeltuch, das ihre schmalen Hüften verhüllte, und ihre kleinen, spitzen Brüste waren aufgerichtet wie saftige Knospen. Der alte Mann ließ ihm sagen, er habe endlich sein Anliegen begriffen, sie

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