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Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Titel: Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexis Jenni
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Bewegung knarrten; die Sonne dörrte ihn aus, salziger Schweiß rann an ihm herab und hinterließ auf seinem Körper weiße Flecken.
    Am Abend des dritten Tags erreichten sie einen Kamm, und die Hügellandschaft unter ihnen öffnete sich plötzlich wie ein Fächer. Gelbes Gras umgab sie, das in der Abendsonne in goldenen Tönen glänzte, und die Piste verlief wie ein dunkler Graben auf ebenem Gelände mitten durch dieses schulterhohe Gras. Von diesem Kamm aus hatte man einen weiten Blick; bis zum Horizont folgen Hügelketten aufeinander, die ersten mit dem feuchten Grün von Edelsteinen, die folgenden in türkisfarbenen Tönen mit immer sanfteren bläulichen Schattierungen, die sich mit zunehmender Entfernung auflösten, bis sie schwerelos wirkten und schließlich mit dem weißen Himmel verschmolzen. Die lange Schlange der unter der Last ihres Marschgepäcks gebeugten Männer machte halt, um Atem zu schöpfen, und dabei sogen sie diese unglaublich leichte Landschaft in sich auf, das blasse Blau und das zarte Grün erfüllten sie, dann gingen sie mit lebhaftem Schritt auf den Posten zu, der auf der Kammhöhe errichtet war.
    Ein einheimischer Unteroffizier ließ die Tür öffnen, empfing sie und kümmerte sich um alles. Die Infanteristen hockten im Hof und in den strohbedeckten Ecktürmen. Salagnon blickte sich suchend nach einem europäischen Gesicht um. »Wo sind Ihre Offiziere?« »Hauptfeldwebel Morcel liegt dort begraben«, sagte der Unteroffizier. »Leutnant Rufin ist mit einem Trupp im Einsatz, er kommt wieder. Und Oberleutnant Gasquier verlässt sein Zimmer nicht mehr. Er erwartet Sie.« »Sind hier sonst keine anderen Führungskräfte?« »Doch, Herr Oberleutnant, ich. Die franko-vietnamesischen Streitkräfte sind hier in Wirklichkeit zu vietnamesischen Streitkräften geworden. Aber ist es nicht normal, dass die Dinge letztlich zu dem werden, was die Worte sagen?«, bemerkte er mit einem belustigten Lächeln.
    Er sprach ein hervorragendes Französisch, das er auf dem Gymnasium gelernt hatte, das gleiche, das Salagnon zehntausend Kilometer entfernt gelernt hatte, allerdings mit einem leicht singenden Tonfall.
    Der Chef des Postens saß mit offenem Hemd und gut eingekeiltem Bauch am Tisch und schien eine alte Zeitung zu lesen, während er die Männer erwartete. Seine geröteten Augen überflogen die Zeilen erst in die eine und dann in die andere Richtung, ohne sie wirklich anzusehen, und er konnte sich nicht dazu entschließen, die Seiten umzublättern. Als Salagnon sich vorstellte, blickte der Mann ihn nicht an, seine Augen irrten weiter über das Papier, als habe er Mühe, sie zu heben.
    »Haben Sie das gesehen?«, nuschelte er. »Haben Sie das gesehen? Die Kommunisten! Sie haben schon wieder ein ganzes Dorf umgebracht, um ein Exempel zu statuieren. Weil sie sich geweigert haben, ihnen Reis zu geben. Und dann vertuschen sie das Verbrechen, versuchen den Eindruck zu erwecken, es wäre die Armee, die Polizei, die Sicherheitspolizei, es wäre Frankreich gewesen! Sie wollen uns ein X für ein U vormachen. Sie hintergehen uns. Sie benutzen gestohlene Uniformen. Außerdem weiß jeder, dass die Sicherheitspolizei unterwandert ist. Komplett. Von Kommunisten aus Frankreich, die ihre Anweisungen aus Moskau bekommen. Und die im Auftrag von Peking morden. Sie sind hier ganz neu, Oberleutnant, lassen Sie sich nicht übers Ohr hauen. Nehmen Sie sich in Acht!« Endlich blickte er Salagnon an, und seine Augen drehten sich in ihren Höhlen. »Nicht wahr, Oberleutnant? Sie lassen sich doch nicht reinlegen, oder?«
    Sein Blick wurde verschwommen, er kippte vornüber. Er schlug mit der Stirn auf den Tisch und rührte sich nicht mehr.
    »Helfen Sie mir, Herr Oberleutnant«, flüsterte der einheimische Unteroffizier. Sie packten ihn an Füßen und Schultern und legten ihn auf das Feldbett, das in einer Ecke des Raums stand. Unter der Zeitung war eine Schale mit Schum verborgen, und unter dem Stuhl stand ein großer Krug mit demselben Gesöff. »Um diese Zeit schläft er ein«, fuhr der Unteroffizier in einem Ton fort, den man in einem Kinderzimmer annimmt, wenn das Baby endlich eingeschlafen ist. »Normalerweise schläft er bis morgens. Aber manchmal wacht er nachts auf und verlangt, dass wir mit unserer Ausrüstung und unseren Waffen antreten. Er will, dass wir in einer Kolonne in den Wald gehen, um nachts den Vietminh nachzustellen, wenn sie nicht mit uns rechnen. Wir haben die größte Mühe, ihn davon abzubringen und ihn wieder

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