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Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Titel: Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexis Jenni
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ins Bett zu bringen. Dazu müssen wir ihm wieder zu trinken geben. Zum Glück kehrt er jetzt heim, nach Hanoi oder nach Frankreich. Sonst hätte er uns in den Tod geschickt. Sie werden ihn ablösen. Versuchen Sie, länger durchzuhalten.«
    Am folgenden Tag traf der Lastwagen mit den Munitionskisten und der Verpflegung ein; er blieb nicht lange, fuhr wieder an den Fluss zurück und nahm den noch schlafenden Gasquier und dessen Kompanie von einheimischen Infanteristen mit. Sie hatten ihn so zwischen Kisten verstaut, dass er nicht umkippen konnte, und seine Männer folgten zu Fuß. Der Staub legte sich wieder auf der Dschungelpiste und Salagnon war nun Chef des Postens. Sein viel zu verbrauchter, aber noch lebender Vorgänger, den er soeben abgelöst hatte, war gegen dessen Willen durch die einsichtigen Berichte eines einheimischen Unteroffiziers gerettet worden.
    Rufin kehrte am Spätnachmittag an der Spitze einer zermürbten Kolonne zurück. Sie waren mehrere Tage durch den Wald gelaufen, hatten Bäche überquert, sich in klebrigen Büschen versteckt, im Schlamm geschlafen. Sie hatten sich auf die Humuserde gelegt und hatten gewartet; von salzigem Schweiß triefend waren sie marschiert. Sie waren alle furchtbar schmutzig, und ihre Kleider waren steif vor Dreck, Schweiß, Blut, Eiter und von Schlamm gezeichnet; und ihre seelische Verfassung war ähnlich: Sie waren erschöpft, erfüllt von einer Mischung aus Müdigkeit, Schiss und wilder Kühnheit, die an Wahnsinn grenzte und die allein ihnen erlaubt hatte, mehrere Tage lang durch die Wälder zu marschieren, zu rennen und zu versuchen, den Gegner zu töten.
    »Vier Tage und vor allem vier Nächte«, sagte Rufin, als er Salagnon begrüßte. Sein schönes blondes Kindergesicht war eingefallen, aber die Strähne, die ihm in die Stirn fiel, war noch sehr lebendig, und ein belustigtes Lächeln umspielte seine Lippen. »Gott sei Dank war ich bei den Pfadfindern, das hat mich auf lange Märsche vorbereitet.«
    Die gebeugten Männer, die zum Posten zurückkehrten, hätten am Rand der Piste zusammenbrechen können, dann hätten sie sich innerhalb weniger Stunden aufgelöst und wären verschwunden, man hätte sie nicht mehr von der Humuserde unterscheiden können. Aber all diese wie Penner verschmutzten Männer besaßen blitzblanke Waffen. Sie hatten diese so gut instand gehalten, dass sie wie nagelneu wirkten: nicht verzogen, glänzend, eingefettet; ihr Körper war erschöpft, ihre Kleider zerlumpt, aber sie hatten ihre Waffen unermüdlich gepflegt, egal zu welcher Stunde, egal wie groß die Anstrengung, es waren gut genährte, kräftige Waffen. Deren Metall funkelte wie Raubtieraugen, die von keiner Müdigkeit getrübt wurden. In ihrem vor Erschöpfung abgestumpften Geist existierte nur noch ein einziger, letzter Gedanke, den ihnen die Materialität der Waffen eingab: der brutale, eiskalte Gedanke an Mord. Alles andere war Fleisch, Gewebe und war verrottet, sie hatten es am Rand der Dschungelpiste zurückgelassen, nun blieb ihnen nur noch das Skelett: die Waffe und der Wille zu morden. Eine Waffe ist viel mehr als eine bloße Verlängerung der Hand oder des Blicks, sie ist die Verlängerung des Knochens, und der Knochen verleiht dem Körper seine Form, sonst wäre er schlaff. Am Knochen ist der Muskel befestigt, und so kann sich die Kraft entfalten. Eine große Müdigkeit löst das Fleisch vom Knochen und legt ihn frei. Man kann in denselben Zustand kommen, wenn man arbeitet, bis man mit der Stirn auf den Tisch fällt, in praller Sonne marschiert oder mit der Spitzhacke Löcher aushebt. In jedem Fall wird man auf das reduziert, was übrig bleibt, und was übrig bleibt, kann man als das Schönste im Menschen betrachten: die Unbeugsamkeit. Der Krieg kann auch das hervorrufen.
    Die Männer legten sich hin und schliefen sofort ein. Nach der Unruhe ihrer Ankunft breitete sich eine große Stille in dem Posten aus, und die Sonne ging unter.
    »Die Vietminh?«, sagte Rufin. »Die sind überall, ringsumher in den Wäldern. Sie kommen und gehen, wie es ihnen gefällt, sie steigen aus dem Hochland herab, in das wir uns nicht mehr trauen. Aber wir können es genauso machen wie sie, auch wir können uns in den Büschen verstecken, und dann sehen sie uns nicht.«
    Er schlief auf dem Rücken liegend ein, den Kopf leicht zur Seite gewandt, und sein schönes, sehr helles, sehr glattes, sehr reines Engelsgesicht war das eines Kindes.
    In Indochina brach die Nacht sehr schnell an. Sobald die

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