Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)
wusste genau, dass es nicht genügte, mit ihr zu reden, um sie für mich zu interessieren. Nur viele mit Worten geschwärzte Blätter würden sie ein wenig interessieren können. Ich schrieb diese Worte. Ich schrieb ihr. Ich schrieb mehrseitige Briefe, die schwer im Umschlag wogen. Es waren keine glühenden Liebesbriefe. Ich erzählte ihr eine Geschichte, meine Geschichte und die ihre. Ich erzählte ihr von jedem Schritt, den ich in Lyon getan hatte, ich erzählte ihr von ihrer Anwesenheit, die wie ein helles Schimmern war und phosphoreszierendes Licht auf die Gegenstände warf, die sich auf der Straße befanden. Ich beschrieb Lyon, wie es mit ihr war, ihre Anwesenheit in meiner Nähe wie ein leuchtendes Gas, wenn ich durch die Stadt ging. Ich schrieb das wie im Fieber, in einem Moment des Überschwangs, der von keiner Vernunft gezügelt wurde, aber was ich schrieb, hatte die Sanftmut eines Porträts, eines lächelnden Porträts vor dem Hintergrund einer großartigen Landschaft. Das Porträt glich dem, was ich von ihr gesehen hatte, sie blickte mich an, und die Landschaft im Hintergrund war die Stadt, in der wir beide lebten, ausschließlich in den Farben gemalt, die die ihren waren. Sie war bereit, mich wiederzusehen. Sie hatte meine Briefe gelesen, und sie hatten ihr gefallen, ich war erleichtert. »All das für mich?«, sagte sie mit einem sanften Lächeln. »Das ist nur der Beginn«, erwiderte ich. »Das ist doch das Wenigste.« Sie seufzte, und die Luft, die ich atmete, der Sauerstoff, den sie mir gab, ließ meine Flamme prasselnd auflodern.
Aber ich hatte vor allem den Wunsch, sie zu malen, denn sie mit einer einzigen Geste zu zeigen, würde alles vereinfachen. Ich bewunderte ihre Erscheinung, die flüssige Bewegung, die ständig von ihr ausging, ich bewunderte ihren Körper, dessen Form an eine Mandel erinnerte, eine Form, die ich mir vergegenwärtigen konnte, wenn ich meine flachen Hände zusammenlegte und die Finger dabei aufeinander ruhen ließ.
Ich könnte, wie ich glaube, ihre Figur mit einem einzigen Pinselstrich wiedergeben. Sie zu betrachten, erfüllte meine Seele mit Freude. Aus Höflichkeit empfiehlt es sich, das Sein der Form vorzuziehen, aber das Sein sieht man nicht, es sei denn im Körper. Ihr Körper erfüllte meine Seele mit interpretatorischer Lust, und ich hatte den heftigen Wunsch, sie zu malen, denn das würde bedeuten, sie zu zeigen, sie zu bestimmen, ihre Anwesenheit zu bestätigen und mich ihr anzuschließen.
Ich liebte die Krümmung, die man beschreiben musste, um ihre ganze Linie darzustellen, von ihren Füßen, die den Boden streiften, bis zur silbrigen Wolke aus Flaum, die ihr Gesicht umrahmte, ich liebte die Rundung ihrer Schulter, die nach der Rundung meines Arms verlangte, ich liebte in ihrem Gesicht die lebhafte Linie ihrer Nase über alles, die unnachahmliche Linie, die die Schönheit ihrer Züge gestaltete. Die Nase ist das Wunder des menschlichen Gesichts, sie ist das Prinzip, das mit einem Strich alle anderen sich verzweigenden Einzelheiten gestaltet, die Augen, die Brauen, die Lippen, bis hin zu den zarten Ohren. Es gibt schlaffe Prinzipien und derbe Prinzipien, lächerliche Prinzipien und uninteressante Prinzipien, amüsante Prinzipien, zu schnell erschöpfte Prinzipien, und andere, die sich durchsetzen und für immer dableiben. Der Beitrag der Mittelmeerländer zur universellen Schönheit der Frauen ist die Arroganz ihrer Nase, die aussieht, als sei sie mit der unverzagten Geste eines Matadors geschaffen worden; was sich in alle Sprachen übersetzen lassen müsste, die entlang dieses Meeres, das das unsere war, gesprochen werden.
Ich bewunderte sie, bewunderte ihr Aussehen, und ich hatte den unbedingten Wunsch, ihren Körper in diese mandelförmige Figur einfließen zu lassen, die zwei zusammengelegte, flache Hände beschreiben, deren Finger aufeinander ruhen. Und das tat ich.
ROMAN VI
Ein dreizüngiger, hexagonaler, zwölfgesichtiger Krieg; ein sich selbst verzehrendes Ungeheuer
M an verlässt Algier nicht ohne weiteres. Man überquert das Meer nicht so leicht. Man kann es nicht auf eigene Faust tun: Man muss einen Platz finden. Man kann Algier nicht mit eigenen Mitteln verlassen, zu Fuß, auf dem Landweg, durch die Büsche. Nein, das kann man nicht. Es gibt keine Büsche und keinen Landweg, nur Wasser, das unüberwindliche Meer; man kann Algier nicht verlassen, wenn man nicht über einen Platz auf einem Schiff oder in einem Flugzeug verfügt. Von der Balustrade
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