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Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Titel: Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexis Jenni
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überlebt, sie überlebten alles, sie würden siegen. Sie waren jeder für sich eine Kriegsmaschine, die keine Gewissensbisse kannte, und Salagnon war einer ihrer Maschinenführer, Anführer einer Herde, Zenturio, Chef einer Bande junger Männer, die sich ganz auf ihn verließen, und die französische Bevölkerung Algiers jubelte ihnen auf den Straßen zu. Die französische Bevölkerung; denn gab es eine andere? Die war nicht zu sehen.
    Bomben explodierten in Algier. Oft. Alles konnte explodieren: ein Sessel in einer Bar, eine auf dem Boden zurückgelassene Tasche, eine Bushaltestelle. Wenn man in der Ferne eine Bombe explodieren hörte, zuckte man zunächst zusammen, aber ein paar Minuten lang war man erleichtert. Seufzte. Doch dann schnürte sich das Herz wieder zusammen, denn eine andere Bombe konnte hier explodieren; und dann ging man die Straße entlang, als könne sich ein Abgrund vor einem öffnen, als könne sich einem der Boden jederzeit unter den Füßen entziehen. Man entfernte sich von einem Araber, der eine Tasche trug; man wich Frauen mit weißem Schleier aus, unter dem sie etwas verbergen konnten; man hätte sich gewünscht, dass sie sich nicht mehr rührten, sie, die anderen, man hätte sie am liebsten erschossen, sie alle, damit nichts mehr passieren konnte. Man empfand eine unangenehme Beklemmung angesichts jener, deren Züge oder Kleidung man nicht sofort mit einem Blick einzuschätzen vermochte. Man wechselte den Bürgersteig, wenn einem das Gesicht eines Passanten nicht passte. Es schien, als könne die Ähnlichkeit das Leben retten. Man wusste nicht, was man tun sollte, deshalb hatte man sie geholt. Sie würden schon mit der Situation fertig werden, die aus Indochina zurückgekehrten mageren Wölfe; sie hatten überlebt, man konnte sich auf ihre Stärke verlassen.
    Sie bezogen ihr Quartier in einer großen Villa im maurischen Stil oberhalb von Algier. Sie besaß ein riesiges Souterrain, kleine Räume mit vergitterten Fenstern, ein Dachgeschoss, das sie in gut verschließbare Schlafzimmer einteilten, und einen großen Empfangssaal, in dem früher Bälle veranstaltet worden waren und in dem Josselin de Trambassac seine Offiziere um sich versammelte. Sie hörten ihm im Stehen mit auf dem Rücken verschränkten Händen in der vorschriftsmäßigen »Rührt euch!«-Stellung zu, die keinesfalls ein Sich-gehen-lassen bedeutet. In der Ferne explodierte eine Bombe.
    »Sie sind Fallschirmjäger, meine Herren, kriegserprobte Offiziere. Ich weiß, was ich an Ihnen habe. Aber der Krieg nimmt neue Formen an. Es geht nicht mehr darum, aus einem Flugzeug abzuspringen oder durch den Wald zu rennen, sondern darum, etwas in Erfahrung zu bringen. Zur Zeit der Schlacht von Azincourt war es mit der Ehre eines Ritters nicht zu vereinbaren, einen Bogen zu benutzen und ohne Risiko aus der Ferne zu töten. Die Ritter Frankreichs sind von einer Horde von Bettlern niedergemetzelt worden, die mit Holzbögen bewaffnet waren. Sie sind die neuen Ritter Frankreichs, Sie können sich weigern, die Waffen des modernen Kriegs einzusetzen, aber dann werden Sie niedergemetzelt.
    Wir sind die Stärkeren; man hat uns den Auftrag gegeben zu siegen. Wir könnten nach dem Beispiel der amerikanischen Luftwaffe den Teil Algiers, der unseren Feinden Schutz bietet, mit Bomben zerstören. Aber das würde zu nichts führen. Sie würden unter den Trümmern überleben, eine Ruhepause abwarten und mit größerer Anzahl einen neuen Angriff führen. Die Männer, die uns bekämpfen, verstecken sich nicht, aber wir wissen nicht, wer sie sind. Man kann ihnen begegnen, vielleicht grüßen sie uns sogar, man kann mit ihnen sprechen, ohne dass sie uns angreifen, doch sie sind auf der Lauer. Sie verbergen sich hinter unbekannten Gesichtern, im Inneren unauffälliger Menschen. Man muss dem Feind die Maske vom Gesicht reißen. Sie werden sie aufstöbern. Sie müssen die wahren Schuldigen auf unerbittliche Weise verhören, mit allzu bekannten Mitteln, die wir verabscheuen. Aber Sie werden den Sieg davontragen. Ist Ihnen bewusst, wer Sie sind? Dann können Sie nicht verlieren.«
    Er beendete seine Ansprache mit einem leisen Lachen. Die Spur eines Lächelns ging über die scharf geschnittenen Gesichter seiner gelenkigen Männer. Alle schlugen die Hacken zum Gruß zusammen und gingen in die Büros, die behelfsmäßig mit Schultischen in allen Winkeln der großen maurischen Villa eingerichtet worden waren. Josselin de Trambassac zeichnete im Empfangssaal ein

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