Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)
Türen mitten auf der Straße, zerbrochene Möbel verkohlten vor den Haustüren, vor zerstörten Schaufenstern häuften sich die Glasscherben, aber niemand bediente sich. Die Fallschirmjäger gingen in regelmäßigem Abstand in einer Reihe über die Gangway, wie sie es so gut konnten, und sie hatten den Eindruck, es zum letzten Mal zu tun. Sie hatten den Eindruck, dass all das nichts genützt hatte und dass sie zu nichts nütze waren; und dass sie sich fortan nicht mehr nützlich machen würden, zumindest nicht mehr als Soldaten.
Als das Schiff ablegte und sie zurückfuhren, zogen sich viele auf das Zwischendeck zurück, um nichts zu sehen, um sich vom Lärm der Maschinen betäuben zu lassen und endlich zu schlafen; andere blieben auf dem Oberdeck und sahen zu, wie Algier sich entfernte, der Hafen, die Pier, die Kasbah, wie eine schmelzende Eiskappe, aus der all das Blut strömte, sie sahen die Unruhe im Hafen, die Menschenmenge auf den Straßen über dem Meer. Algier entfernte sich, doch das Gebrüll der Harkis, denen man die Kehle durchschnitt, drang bis an ihr Ohr. Der Harkis, denen man die Kehle durchschnitt, das redeten sie sich ein, um ihr Feingefühl, einen gewissen Takt bewahren zu können. Doch sie wussten genau, schließlich hatten sie in diesem blutigen Land gelebt, sie wussten genau, dass die Schreie, die aus der unruhigen Menge auf den Straßen über dem Meer herüberdrangen, die Schreie der Harkis waren, die man zerstückelte, die man entmannte und bei lebendigem Leib verbrannte und die in einem Nebel aus blutigen Tränen – aus ihren Tränen und ihrem Blut – die Schiffe abfahren sahen. Die Männer an Deck redeten sich ein, dass das Geschrei, das sie hörten, das der Harkis war, denen man die Kehle durchschnitt, das redeten sie sich ein, um ihr Gewissen zu beruhigen und um nicht andere, noch grauenhaftere Bilder heraufzubeschwören, die ihnen für immer den Schlaf rauben würden. Doch sie wussten genau, was da geschah. Aus der Ferne lässt sich das nicht unterscheiden. Der Mensch besitzt nur eine begrenzte Schreikapazität: sobald diese erreicht ist, ändert es nichts, ob man ihm die Kehle durchschneidet oder ihm mit Tischlerwerkzeugen Stück für Stück das Fleisch vom Leib reißt. Die Fallschirmjäger der Kolonialarmee, die vom Deck des Schiffes zusahen, wie Algier sich entfernte, zogen aus Feingefühl den Gedanken vor, dass man diesen brüllenden Männern die Kehle durchschnitt; dass es schnell ging, sowohl für die Harkis, wie für sie selbst.
Als das Schiff mit dem gedämpften Hämmern der Maschinen etwa die Hälfte des Weges nach Frankreich auf dem Mittelmeer zurückgelegt hatte, weinte Victorien Salagnon mitten in der Nacht auf dem Oberdeck zum ersten und einzigen Mal in seinem Leben, und vergoss mit einem Schlag all die viel zu lange angesammelten Tränen. Er beweinte seine Menschlichkeit, die ihn verließ, und seine Mannhaftigkeit, die er nicht ganz zu erobern und nicht zu bewahren verstanden hatte. Als der Tag anbrach, sah er die sonnige Stadt Marseille. Er war erschöpft, und seine Augen waren trocken.
Dabei hatte alles gut begonnen. Sie waren mitten im Winter in Algier angekommen, im grausamen Winter der Mittelmeerländer, in dem sich die Sonne hinter einem Wind verbirgt, der scharf und grau ist wie eine Stahlklinge. Sie waren zu einer Parade durch die Straßen des europäischen Stadtteils marschiert, mit Josselin de Trambassac an ihrer Spitze, mit herrlich steifer Haltung, herrlich präzisen Bewegungen und herrlicher Kraft. Hauptmann Salagnon war an der Spitze seiner Männer durch die Straßen des europäischen Stadtteils marschiert, der Lyon oder Marseille glich und von Franzosen bewohnt wurde, die ihnen zujubelten. Sie gingen im Gleichschritt, die ganze Division von Fallschirmjägern der Kolonialarmee in sauberen Kampfanzügen mit aufgekrempelten Ärmeln, zusammengebissenen Zähnen, standbildhaftem Lächeln, magerem, durchtrainiertem Körper, und alle im Gleichschritt. Diesmal würden sie siegen. Sie marschierten in die Stadt ein, hatten freie Hand, konnten tun, was sie wollten, um den Sieg davonzutragen; sie konnten tun, was sie wollten, vorausgesetzt, sie trugen den Sieg davon.
An jenem Tag im Januar waren sie bei Wintersonne in Algier eingetroffen, unter den Jubelrufen der europäischen Menschenmenge waren sie durch die Stadt marschiert, gelenkig, leicht und unbesiegbar, frei von allen Skrupeln, kampferprobt durch den furchtbarsten Krieg, den man sich vorstellen kann. Sie hatten
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