Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Titel: Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexis Jenni
Vom Netzwerk:
Organigramm auf eine Tafel, in dem mit Pfeilen untereinander verbundene leere Felder eine Pyramide bildeten. Jedes Feld sollte einen Namen darstellen, und jedes von ihnen hatte nur Verbindung zu drei anderen.
    »Das ist das feindliche Lager und ihre Schlachtordnung«, sagte er. »Sie müssen einen Namen für jedes Feld finden und sie alle festnehmen. Das ist alles. Wenn alle Felder ausgefüllt sind, bricht das verratene Heer zusammen.«
    Das gefiel Mariani. Er las nicht mehr viel, seine reichhaltige Bücherweisheit diente ihm jetzt dazu, die große Tafel zu füllen. Er bediente sich der Männer, so wie er sich der Worte bediente. Er notierte sich Namen, radierte sie aus, er arbeitete mit Bleistift und Radiergummi. Und als blutiges Echo der auf der weißen Tafel dargestellten Übersicht nahm man in der realen Welt Körper fest, unterzog sie einer präzisen Behandlung, presste einem Namen aus ihnen heraus und ließ sie anschließend verschwinden.
    Wie sollten sie die Leute finden? Der Mensch ist ein zoon politikon , er lebt nie allein, es gibt immer andere Menschen, die ihn kennen. Sie mussten mit einer Harpune fischen, die Waffe auf gut Glück in das schlammige Wasser tauchen und sehen, was an die Oberfläche kam. Jeder Fang würde andere nach sich ziehen. Hauptmann Salagnon fuhr mit zwei bewaffneten Männern zur Polizeibehörde der Stadt. Er verlangte die Kartei zur Überwachung der arabischen Bevölkerung. Der Beamte in Hemdsärmeln wollte sie nicht herausrücken. »Das sind vertrauliche Angaben, die der Polizei gehören.« »Entweder Sie geben sie mir, oder ich nehme sie mir«, sagte Salagnon. Er trug eine Pistole in einem am Gürtel befestigten Leinenetui, hatte die Hände auf dem Rücken verschränkt, die beiden Männer, die ihn begleiteten, hielten die Maschinenpistole schussbereit an der Hüfte. Der Mann in Hemdsärmeln wies auf ein Regal, und sie fuhren mit mehreren braunen Karteikästen aus Holz davon.
    Auf den Karteikarten waren die Namen und Adressen all jener vermerkt, die der Polizei jemals in die Hände geraten waren. Es waren die Namen von Gaunern, Agitatoren, Gewerkschaftlern, sie alle hatten irgendwann einmal eine nationalistische Einstellung, den Willen zu handeln oder eine aufrührerische Haltung zum Ausdruck gebracht. Alle Angaben waren im Konjunktiv aufgeführt, denn die Behörde verfügte nicht über genügend Spitzel und genügend Polizeibeamte, daher beruhten die Angaben oft nur auf Gerüchten. Die Spuren sämtlicher Unruhen innerhalb der arabischen Bevölkerung Algiers waren in diesen Karteikästen festgehalten.
    Sie brachten die auf den Karteikarten erfassten Menschen in die maurische Villa, um sie zu fragen, warum die Bomben explodierten; wer sie legte. Wenn sie es nicht wussten, fragte man sie nach dem Namen von jemandem, der es wissen könne, dann holte man ihn und begann von Neuem. Die Fallschirmjäger waren da, um etwas in Erfahrung zu bringen, und sie taten ihr Möglichstes. Sie führten ununterbrochen Verhöre. Sie spürten dem Feind im Dschungel der Körper nach, stellten ihm Fallen, ließen nicht locker. Wenn die Körper Widerstand leisteten, wurden sie zerstört. Einige von denen, die etwas ausgesagt hatten, sah man nicht wieder.
    Tag und Nacht herrschte ein reger Verkehr knatternder Jeeps rings um die Villa. Die Fallschirmjäger, die sich stets im Laufschritt bewegten, schoben benommene, verängstigte Männer in Straßenkleidung oder im Schlafanzug vor sich her, die Handschellen trugen, aber nur selten verletzt oder verschwollen waren. Alles musste schnell gehen. Wenn im Keller der maurischen Villa ein Name gefallen war, fuhr sofort ein Jeep mit vier Fallschirmjägern in getigertem Kampfanzug los; er raste die Serpentinen hinab, hielt vor der Tür eines Hauses, die Männer sprangen aus dem noch fahrenden Fahrzeug, stürmten ins Haus, rannten die Treppe hinauf und kamen mit ein oder zwei Männern wieder, die sie in das Fahrzeug zerrten, dessen Motor nicht abgestellt worden war. Sie fuhren zu der maurischen Villa hinauf, saßen im Wagen wie auf der Herfahrt, nur dass ein oder zwei Männer vor ihren Füßen knieten, von denen man nur den Rücken sah. Dann versuchten sie herauszufinden, warum die Bomben explodierten, ließen nicht locker, bis ein anderer Jeep mit knirschenden Reifen losfuhr, in dem vier Fallschirmjäger in getigertem Kampfanzug saßen, die nach einer Stunde wiederkamen und weitere Männer mitbrachten, von denen man um jeden Preis etwas erfahren wollte. Und so weiter.

Weitere Kostenlose Bücher