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Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Titel: Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexis Jenni
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Wenn ein Name genannt worden war, wurde der Mann, der diesen Namen trug, eine Stunde später von vier Männern in getigertem Kampfanzug in einem Jeep gebracht, und dann wurde er in demselben Keller verhört, in dem sein Name genannt worden war. Die Sprache bewegte Körper, es wurde nur Französisch gesprochen. Morgens kamen Offiziere mit einem Bleistift und einem etwas zerknitterten, manchmal beschmutzten Notizheft aus dem Keller der Villa. Sie gingen zum Empfangssaal, durch dessen große Fenster das Licht der aufgehenden Sonne fiel und die Tafel mit der Übersicht aufleuchten ließ. Sie blieben auf der Schwelle des großen Raums stehen, geblendet vom Sonnenlicht, von der Leere zwischen den Wänden und der morgendlichen Stille. Sie reckten sich, betrachteten den Himmel, der sich rötlich färbte, gingen dann auf das Organigramm zu und trugen in manche Felder Namen ein, die sie aus ihrem Notizheft abschrieben. Salagnon sah, wie sich die Tafel jeden Tag ein wenig mehr füllte, Feld für Feld, mit der Regelmäßigkeit eines Druckvorgangs. Wenn die Tafel voll sein würde, würde ihre Aufgabe erfüllt sein.
    Josselin de Trambassac verfolgte die Entwicklung seines Organigramms mit ebensolcher Aufmerksamkeit wie ein Reichsmarschall eine mit Nadeln gespickte Landkarte. Er war morgens anwesend, wenn die Felder der Tafel ausgefüllt wurden, und er verlangte von den Männern, die aus dem Keller kamen, als Erstes, ihm ihre Hände zu zeigen. Diejenigen, deren Hände durch die nächtliche Arbeit besudelt worden waren, schickte er mit gereizter Miene zu den Wasserhähnen in den Nebenraum. Sie mussten sich die Hände waschen und sie sorgfältig abtrocknen. Nur saubere Hände durften sich dem Organigramm nähern und dazu beitragen, es auszufüllen. Josselin de Trambassac ertrug die Vorstellung nicht, dass es befleckt werden könnte. Dann hätte er es gänzlich abschreiben lassen.
    Die Villa war von einem staubigen Palmengarten umgeben. Der Schatten war spärlich und unbeständig, niemand ging in dem Garten spazieren, niemand sammelte die abgestorbenen Palmwedel auf, die die Gänge übersäten. Die mit Lamellen versehenen Fensterläden blieben immer halb geschlossen, wie die Augenlider einer Katze. Die Männer sahen tagsüber von Algier nur das gleißende Licht, gestreifte Schatten und die Bewegungen der Palmen. Sie öffneten die Läden nie. Drinnen stank es nach Schweiß, Tabak, schlechtem Essen, Latrinen und noch etwas anderem. Manchmal wehte eine Brise vom Meer herüber, aber nur ganz schwach. Die Zikaden zirpten, doch es fehlte der Geruch der Kiefernwälder. Sie waren in der Stadt, sie arbeiteten.
    Mariani hatte als Erster die Idee, Musik anzustellen, Platten mit voller Lautstärke auf einem großen Plattenspieler abspielen zu lassen, während sie in den Kellern arbeiteten. Am Garten der Villa führte eine ziemlich belebte Straße entlang, und auch in den Stockwerken der Villa hörte man die Arbeit, die im Keller verrichtet wurde. Das wirkte sehr störend. Daher wurde zu gewissen Zeiten Musik in Party-Lautstärke aufgelegt. Die Leute, die an der Villa vorbeigingen, hörten Schlager, die ganze Langspielplatte einer zu jener Zeit beliebten Sängerin. In voller Lautstärke. Aber die kaum wahrnehmbaren Geräusche, die sich unter die Musik mischten, führten zu kleinen Dissonanzen, kaum hörbar, nur durch das unerklärliche Unbehagen bemerkbar, das sie hervorriefen. Bei den Leuten, die in solchen Momenten an der maurischen Villa vorbeigingen und diese Dissonanzen wahrnahmen, löste die südländisch beeinflusste französische Unterhaltungsmusik ein seltsames Unwohlsein aus.
    Wenn Hauptmann Mariani mit seiner fast schwarzen, goldumrandeten Pilotenbrille sein Büro betritt, presst der Verdächtige auf seinem Stuhl unwillkürlich die Beine zusammen.
    Mariani lehnt sich mit einer Pobacke an den Arbeitstisch, auf dem weder ein Blatt Papier noch ein Bleistift liegt. Hier wird von Mann zu Mann gearbeitet. Seine Bluthunde, die ihn umgeben, gehorchen seiner kleinsten Geste. Vor ihm sitzt auf einem Stuhl ein junger Araber in zerrissenen Kleidern, seine Handgelenke sind gefesselt. Mit den Blutergüssen in seinem Gesicht zieht er eine etwas lächerliche Grimasse.
    »Was machst du?«
    »Ich habe nichts getan, Herr Offizier.«
    »Erzähl mir keine Märchen. Was machst du?«
    »Ich studiere Medizin. Ich habe nichts getan.«
    »Du studierst Medizin? Du profitierst von Frankreich, aber du hilfst uns nicht.«
    »Ich habe nichts getan, Herr

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