Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)
ihnen die Tür. Unter der nackten Glühbirne in den kleinen Kellerräumen befanden sich mehrere Personen: ein Offizier mit einem Notizheft in der Hand, der den Verdächtigen Fragen stellte, sehr wenige Fragen, und zwei oder drei andere Männer, schmutzig und einsilbig, die aussahen wie müde Kraftfahrzeugmechaniker. Der ab und zu von Schreien unterbrochene Lärm im Untergeschoss glitt an den Wänden entlang, durch den kleinen Keller, in dem sich verschiedene Werkzeuge befanden, eine Schüssel, Funkgerätschaften und eine volle Badewanne. Eine Badewanne, das überrascht. Das Wasser, das die Badewanne füllte, war kein Wasser mehr, sondern ein flüssiges Gemisch, das im Licht der an der Decke hängenden nackten Glühbirne schmutzig schimmerte. Es begann. Es wurden Fragen gestellt. Das Verhör fand auf Französisch statt. Die Verdächtigen, die man wieder hinaufbrachte, mussten manchmal getragen werden. Und die gab man den Angehörigen nicht zurück.
Wenn Salagnon mit seinem Heft, in dem er sich Namen notiert hatte, wieder hinaufging, sagte er sich manchmal verwirrt, wenn er schnell genug handle, um jene festzunehmen, die die Bomben herstellten und jene, die sie legten, dann könne er vielleicht verhindern, dass sie in einem Bus explodierte. Sie sagten sich alle in etwa dasselbe, bis auf die Lemuren aus dem Untergeschoss, von denen niemand wusste, was sie dachten, wenn sie unermüdlich dieselben Fragen an halb Ertrunkene stellten, die nicht antworteten, weil sie Wasser ausspuckten, oder an jene, deren Kinnlade vom elektrischen Schlag, den man ihnen verabreicht hatte, derart erstarrt war, dass sie keinen Ton mehr hervorbringen konnten. Trambassac gab ganz klare Erklärungen an die Presse ab. »Wir müssen sehr schnell handeln und dürfen keine Zeit damit verlieren, uns in Frage zu stellen. Wenn man Ihnen jemanden bringt, der gerade zwanzig Bomben gelegt hat, die von einer Minute auf die andere explodieren können, und der nicht reden will und nicht verraten will, wo sie sich befinden und wann sie explodieren, muss man außergewöhnliche Mittel einsetzen, um ihn zur einer Aussage zu zwingen. Wenn wir einen Terroristen festnehmen, von dem wir wissen, dass er irgendwo eine Bombe versteckt hat, und ihn sehr schnell verhören, vermeiden wir weitere Opfer. Wir müssen diese Informationen sehr schnell erhalten. Mit allen Mitteln. Darauf zu verzichten, wäre kriminell, denn dann würde das Blut Dutzender Opfer, deren Tod hätte vermieden werden können, an unseren Händen kleben.«
So gesehen ist das tadellos. Diese Argumente sind stichhaltig, man kann sie durchaus nachvollziehen. Argumente sind immer stichhaltig, mit diesem Ziel entwickelt man sie ja, wenn man nicht total ungeschickt ist. Die Vernunft hat prinzipiell recht. Wenn man einen Terroristen schnappt, von dem man weiß, dass er mehrere Bomben gelegt hat, tut man allerdings gut daran, ihn mit Fragen zu bedrängen. Ihn auszuquetschen, zu quetschen, zu zerquetschen, egal was. Hauptsache, es geht schnell. So gesehen ist das einwandfrei. Man muss aber dazu sagen, dass sie nie jemanden geschnappt haben, von dem sie wussten, dass er zwanzig Bomben gelegt hatte. Sie nahmen vierundzwanzigtausend Menschen fest, und von keinem wussten sie, was er soeben getan hatte. Sie nahmen sie in die maurische Villa mit und fragten sie danach. Was diese Leute getan hatten, wurde erst durch das Verhör ermittelt.
Trambassac behauptete allen gegenüber, dass sie die Schuldigen festnahmen und verhörten, und zwar nicht, um zu ermitteln, ob sie schuldig waren, sondern um die Folgen ihrer Missetaten in Grenzen zu halten. Dabei nahmen sie überhaupt keine Schuldigen fest: Sie produzierten diese erst durch Festnahme und Verhör. Manche waren aus Zufall schuldig, andere unschuldig. Viele verschwanden, ob schuldig oder nicht. Sie warfen ihre Netze aus und fingen alle möglichen Fische. Es war nicht nötig, den Schuldigen zu kennen. Ein Name genügte, und sie kümmerten sich um alles andere.
Der Einfall, den Trambassac an jenem Tag gehabt hatte, war genial. Was er den Journalisten auf ihre Fragen antwortete – der Grund, den er für die Aktivitäten in der maurischen Villa angab, wurde über fünfzig Jahre lang mehr oder weniger in derselben Form weitergegeben. Das ist etwas, wodurch sich große literarische Schöpfungen, die den Geist der Menschen prägen, auszeichnen: sie werden regelmäßig zitiert, häufig leicht abgewandelt und ohne dass man noch genau weiß, wer es geschrieben hat – in
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