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Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Titel: Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexis Jenni
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der andere den Finger auf das sauber gezeichnete Relief der Karte, hier und dort, wobei sie zögernd etwas murmelten; sie zeigten, dass sie nachdachten, sie zeigten, dass sie eine wohlüberlegte Antwort auf diese Frage geben würden. Allein hätten sie nicht so viele Umstände gemacht, aber hier dachten sie unter Salagnons Blicken nach.
    Abgesehen von der Uniform hatten sie nichts gemein. Der Unterschied zwischen Vignier und Herboteau hätte kaum größer sein können: Der eine war massig, der andere spindeldürr, der eine geschwätzig und lustig, der andere blass und wortkarg, der eine war ein Arbeitersohn aus der nordfranzösischen Kleinstadt Denain, der andere Sohn einer großbürgerlichen Familie aus Bordeaux, der eine hatte sich hochgearbeitet, der andere war ein potentieller reicher Erbe, doch wie durch ein Wunder verstanden sie sich bestens, sie konnten sich per Handzeichen verständigen und waren unzertrennlich. Die einzige Gemeinsamkeit bestand darin, dass sie beide Fallschirmjägeroberleutnants waren. Die anderen sagten lachend, es stände ein Verzerrspiegel zwischen ihnen, denn sie machten gleichzeitig dieselben Bewegungen, der eine die eines kleinen Dicken, der andere die eines großen Hageren.
    Salagnon mochte die beiden jungen Männer gern, sie versuchten immer mit großem Ernst zu antworten, wenn er ihnen eine Frage stellte. Er hatte sie ausgebildet, dieser Gedanke gefiel ihm, er hatte sie das Versteckspiel des Kriegs gelehrt.
    »Hier, Herr Hauptmann«, sagte Vignier und zeigte mit dem Finger auf ein schmales Tal.
    »Oder dort«, fügte Herboteau hinzu und zeigte auf ein anderes Tal.
    »Zwei, das ist zu viel. Sie müssen sich entscheiden.«
    »Wie wollen Sie denn erraten, was diese Typen denken?«, brummte Chambol.
    Er hatte ihnen sein Büro überlassen, aber er ertrug es nicht, dass die Fallschirmjäger dabei so taten, als sei er nicht da. Die Karten waren auf seinem großen Tisch ausgebreitet, den sie rücksichtslos frei geräumt hatten, sie sahen sich Luftaufnahmen der Region durch stereoskopische Brillen an. Als könne man das Relief erkennen, ohne auf die Berge gestiegen zu sein. Dabei hätte man ihn nur zu fragen brauchen. Er, Chambol, war der Mittelpunkt des Postennetzes, das die Region überzog, und sie taten so, als wüssten sie das nicht, diese Typen in ihren Clownsuniformen, die sich aus Trotz weigerten, einen Stahlhelm zu tragen, und all das nur, um ihre lächerlich kleine Schirmmütze zur Schau zu stellen, auf einem Schädel, dessen Knochen hervorstanden.
    »Sie verschwinden, wie es ihnen gerade gefällt, man findet sie nie wieder.«
    »Trotz Ihrer Posten?«
    »Das ist der Beweis dafür, dass sie verschwinden.«
    »Oder aber dafür, dass die Männer in Ihren Posten nichts sehen; und zu nichts gut sind.«
    »Wir haben die Region unter Kontrolle.«
    Nichts für ungut, Herr Oberst, aber Sie haben gar nichts unter Kontrolle. Und deshalb sind wir hier.«
    »Diese Burschen kennen das Gelände. Sie tauchen darin unter wie ein U-Boot im Meer. Und dann findet man keine Spur mehr von ihnen.«
    Der Vergleich war nicht der glücklichste. Salagnon starrte ihn stumm an. Die beiden Oberleutnants hoben den Kopf und warteten. Die Funker verlangsamten ihre Bewegungen und die Männer neben der Wandtafel standen fast stramm, um möglichst unsichtbar zu werden.
    »Es hat überhaupt keinen Sinn, das Gelände zu kennen, Herr Oberst. Das sagt man so, aber das will nichts heißen.«
    »Sie sind hier zu Hause, sie kennen das Gelände, sie verschwinden vor unseren Augen, wie es ihnen passt.«
    »Es handelt sich um hundertzwanzig Männer, die Kisten mit Waffen und Munition transportieren. Ein Eselkonvoi, Herr Oberst. Die können sich nicht hinter ein paar Steinen verbergen. Egal, wo die vorbeiziehen, sie sind zu sehen.«
    »Sie kennen das Gelände, sage ich Ihnen.«
    »Keiner von diesen Typen stammt aus dieser Gegend. Eine Hälfte ist in der Stadt aufgewachsen, wie Sie und ich, und die anderen kommen von anderswo. Man kennt immer nur die nähere Umgebung; und auch die nur, wenn man sie ein bisschen erforscht hat. Wir suchen keine Hirten, sondern ein Heer von kompetenten, vorsichtigen Männern, die eine reguläre Ausbildung erhalten haben und wissen, wie man sich in einem Gelände unauffällig voran bewegt. Ihre Typen in den Posten verlassen den ihren nie, und nachts schlafen sie. Sie kennen die Umgebung, in der sie sich befinden, überhaupt nicht, sie warten darauf, abgelöst zu werden.«
    »Aber die Burschen, die

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