Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)
wir suchen, sind Araber, und wir sind hier in Algerien.«
»Warum sollte ein Araber Algerien kennen, Herr Oberst? Ein Araber, der in Algerien lebt, lernt das Land kennen wie alle anderen.«
Chambol verdrehte mit gereizter Miene die Augen.
»Sie haben keine Ahnung, Salagnon. Sie kennen weder dieses Land noch dieses Volk.«
»Aber ich weiß, was es heißt, als bewaffnete Einheit eine Region zu durchqueren. Ich verfüge selbst über eine bewaffnete Einheit. Die Welt ist für alle die gleiche, Herr Oberst.« Er wandte sich seinen Oberleutnants zu. »Nun, meine Herren?«
»Dort!«, sagten sie im Chor und legten beide den Finger auf dasselbe Tal.
»Das ist doch völlig idiotisch«, sagte Chambol. »Wenn sie diesen Weg einschlagen, müssen sie die Straße überqueren und ganz in der Nähe eines unserer Posten vorbeiziehen.«
»Ja, aber das ist der kürzeste Weg, und außerdem führt er zum großen Teil durch den Wald.«
»Und die Straße, und der Posten?«
»Sie sind hundertzwanzig, gut bewaffnet, und durchaus imstande, sich mit Gewalt einen Weg zu bahnen; und sie gehen davon aus, dass der Posten sie nicht hindert.«
»Und wieso?«
»Sie haben es doch selbst gesagt: Die Männer im Posten sehen sie nicht. Sie schließen die Augen oder sehen anderswohin. Sie bewachen nicht die Region, sie bewachen sich selbst. Die Posten dienen nur dazu, unsere Männer zu stationieren. Um das ganze Land mit ihnen zu übersäen, wodurch sie ein leichtes Ziel bilden. Ihre Hauptbeschäftigung besteht darin zu überleben.«
»Lächerlich.«
»Da bin ich ganz Ihrer Ansicht. Und wie sollen wir uns platzieren?«
Unter Chambols spöttischen Blicken zeichneten sie den Plan auf die Wandtafel: Stellungen, um dem Feind aufzulauern, Treffpunkte für den Truppentransport, Absprungzonen.
»Machen Sie es sich in Ihrem Hinterhalt gemütlich, meine Herren. Wir erwarten Sie zum Abendessen, wenn Sie das Warten leid geworden sind.«
Die Fallschirmjäger liegen neben großen Felsen. Sie haben sich auf weiten Teilen der Kammlinie hinter Kalksteinblöcken versteckt, die sengend heiß sind, wenn man ihre der Sonne zugewandte Oberfläche berührt. Aus ihren Stellungen haben die Fallschirmjäger einen guten Einblick in das ausgetrocknete Tal, durch das im Winter – aber gibt es hier überhaupt einen Winter? Das vergisst man jeden Sommer – ein breiter Bach fließt, von dem jetzt nur noch ein kleines Rinnsal übrig ist, und daneben Löcher aus brauner Erde, in denen Oleander wächst, Gräser, deren vertrocknete Blütenstände in der Sonne glänzen, und Bäume, die den Bach säumen und einen kleinen Wald bilden, einen Wald aus knorrigen Bäumen mit hartem Holz, krummen Ästen und glänzenden Blättern, einen Wald, der sich durch das ganze Tal hinzieht und einen langen Korridor bildet, in dem man sich leicht verstecken kann. Unter ihnen verläuft eine steinige Straße schräg durch das Tal, überquert den Bach auf einer Brücke, die vielleicht noch aus der Zeit der Römer stammt und viel zu breit für diesen Bach ist, doch bei Gewittern kommt es hier leicht zu Überschwemmungen, dann führt die Straße den gegenüberliegenden Hang hinauf und verschwindet hinter dem anderen Kamm. Eine zweite Abteilung hat sich weiter hinten im Felsenmeer hinter grauen Büschen versteckt, die auf dem Boden ein unregelmäßiges Netz aus Schatten bilden. Man kann sie nicht erkennen, nicht einmal mit dem Fernglas. Die staubige Tarnkleidung der Männer lässt sich nicht von den Steinen unterscheiden, die alles bedecken, den diesseitigen Hang, der sich bis zum Bach hinabzieht, den jenseitigen, der bis zum gegenüberliegenden Kamm ansteigt, und die dahinter liegenden dürren Hügel, so weit das Auge reicht. Die gescheckten Kampfanzüge verleihen den Männern eine perfekte Tarnung. Die Farben sind verwaschen, den Falten sieht man den häufigen Gebrauch an, der Stoff ist fransig geworden, gibt an manchen Stellen nach, ihr Gepäck aus grünem Leinen ist abgenutzt. Sie tragen Arbeitskleidung. Selbst ihre Waffen sind verkratzt und verbeult wie viel benutztes Handwerkszeug. Die Felsblöcke, neben denen sie sich ausgestreckt haben, schützen sie vor Blicken, nicht aber vor der Hitze. Sie rühren sich nicht, wie auf einer Mauer ruhende Eidechsen, die Augen zu Schlitzen zusammengekniffen. Sie liegen auf der Lauer, dösen manchmal etwas, sie sind im Morgengrauen hergekommen, haben den ganzen Tag die Sonne auf dem Rücken gespürt. Sie haben gesehen, wie sich der Himmel violett, dann
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