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Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Titel: Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexis Jenni
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Gürtel. Er nahm den Haik und den Korb mit dem Rest der Nahrungsmittel.
    »Und was machen wir jetzt?«
    »Wir verstecken uns, um zu warten und schlafen ein bisschen. Und im Morgengrauen gehen wir den Männern entgegen, die uns abholen.«
    »Aber finden die uns denn?«
    »Ja«, sagte er lächelnd. »Lebendig und gerettet, wenn wir ein bisschen Glück haben; oder tot und in sehr üblem Zustand, wenn wir dem großen bösen Wolf dieser Wälder begegnen.«
    Sie legten sich zwischen zwei Felsen, die einen dunklen Schatten warfen, ins Gras. Auf dem Rücken liegend sahen sie den tiefschwarzen Himmel, an dem viel mehr Sterne leuchteten, als sie je gesehen hatten, bis auf einen gewissen Abend in Frankreich vielleicht, an dem sie gemeinsam den Sternenhimmel betrachtet hatten. Sie sahen große und mittelgroße Sterne und eine Staubwolke unendlich kleiner Sterne, die im Dunklen glitzerten. In der Luft hing ein Geruch nach Kiefern.
    »Rückkehr zum Ausgangspunkt«, sagte Euridice und drückte ihm die Hand.
    »Neuanfang«, sagte Victorien und zog sie an sich.
    Er wusste, wie das geht, nicht zu schlafen. Er wusste, wie das geht, nur leicht einzunicken, seine geistige und körperliche Tätigkeit auf ein Minimum zu reduzieren, als halte man einen Winterschlaf, und trotzdem empfänglich zu bleiben für plötzliche Geräusche, Stimmen, Kieselsteine, die bewegt wurden, oder für das Knacken von Ästen. Euridice schlief an seiner Schulter. Er hatte den linken Arm um sie gelegt, die rechte Hand lag auf der Waffe, deren Metall sich im offenen Etui erwärmt hatte.
    Irgendwann hörte er nachts leises Geflüster. Es kam und ging mit dem leichten Rauschen der Nacht, entfernte sich und näherte sich dann wieder, er glaubte Arabisch wiederzuerkennen, es waren mehrere Stimmen, die sich antworteten, er wusste nicht, ob es Kämpfer für den Dschihad oder Dschinnen waren, seine Hand glitt über die warme Waffe, bis der Zeigefinger auf dem Abzug lag. Euridice schlief eng an ihn geschmiegt, eine Strähne war ihr über das Auge gerutscht. Er wachte über sie. Sie seufzte leise. Sie atmete an seinem Hals, lächelte. Er spürte, wie sein Glied steif wurde. Das ist nicht der geeignete Moment, dachte er, aber zum Glück machte das ja keinen Lärm. Das Geflüster verschwand.
    Allmählich war die Finsternis nicht mehr ganz so schwarz. Er wurde von einer Alouette geweckt, einem Hubschrauber mit einer Plexiglaskuppel, der in großer Höhe flog, um außer Schussweite zu bleiben. Die Rotorblätter drehten sich in der reinen Morgenluft mit fernem Geräusch, und die rosafarbene Sonne glänzte auf der durchsichtigen Kapsel, während die Erde noch im Schatten lag. Salagnon stieg auf einen der großen Felsen und winkte mit ausladenden Bewegungen. Die Alouette antwortete mit kleinen Kreisen und flog davon. Victorien hockte sich neben Euridice, die sich in den zerknitterten, von Erde und Grün befleckten Haik gerollt hatte. Sie blickte ihn mit glühendem Blick an, der sein Herz sofort heftig schlagen ließ.
    »Gute Nachricht. Sie werden uns lebendig wiederfinden.«
    Sie öffnete den Schleier und er sah sie so, wie sie geschlafen hatte, anrührend und leicht verknautscht, sie lächelte ihm zu, und dieses Lächeln, das nur ihm zugedacht war, schwebte in der Luft und traf ihn wie ein blendender Strahl, der ihm nicht mehr erlaubte, etwas anderes zu sehen, als dieses ihm zugedachte Lächeln.
    »Komm. Wir haben noch ein bisschen Zeit, bis sie eintreffen.«
    Sie hörten, wie sich ein Motorengeräusch aus weiter Ferne näherte. Auf der unbefestigten Straße rumpelten ein Jeep, ein mit einem Maschinengewehr bewaffneter Halbketten-Schützenpanzer und zwei Lastwagen näher. Die beiden erwarteten die Kolonne neben dem Citroën, frisch gekämmt, und in wieder einigermaßen geglätteter Kleidung. Salagnon hatte seine Waffe am Gürtel befestigt.
    »All das für uns?«, fragte er den erleichterten Oberleutnant, der aus dem Jeep sprang und ihn grüßte.
    »Die Region ist ziemlich unsicher, Herr Hauptmann.«
    »Ich weiß. Ich stecke die Fähnchen in die Karte.«
    »Erlauben Sie mir, es Ihnen noch einmal zu sagen: Es ist unvorsichtig, allein wegzufahren, Herr Hauptmann.«
    »Aber ich bin doch nicht allein.«
    Der Oberleutnant verstummte und blickte Euridice an. Sie hielt seinem Blick stand, hatte den Haik wie eine Stola um die Schultern gehüllt.
    »Sie sind der Hauptmann Salagnon, der alles überlebt«, sagte er seufzend. »Eines Tages wird diese Unsterblichkeit schwer auf Ihnen lasten,

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