Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)
besessener Typ, der sie beim geringsten Fehler mit dem Rohrstock schlägt, das kann nur zu Unterwerfung führen, aber einer Unterwerfung unter den Rohrstock, nicht unter Gott. Liebe und Inkarnation sind etwas, was näher an das herankommt, was er empfunden hat. Er ist kein Muslim mehr, sondern Katholik. Ich stehe für ihn ein, Sie können ihn losbinden und ihn mit mir nach Frankreich schicken.«
»Er bleibt bei uns.«
»Er weiß nichts.«
»Das werden wir selbst überprüfen.«
»Er ist kein Muslim mehr, sage ich Ihnen! Nichts spricht dagegen, dass er ein Franzose wird wie Sie und ich.«
»Sie kennen Algerien nicht richtig, Pater. Er bleibt ein Muslim, das heißt, ein französischer Untertan, kein Bürger. Ein Araber oder Eingeborener, wenn Sie wollen.«
»Er ist getauft.«
»Man verliert nicht den Status eines Muslims durch die Taufe. Er kann gern Katholik sein, wenn er will, das ist seine Sache, aber er bleibt Muslim. Das ist kein bloßes Adjektiv. Man ändert seine Natur nicht.«
»Die Religion ist doch keine Natur!«
»In Algerien doch. Und die Natur verleiht gewisse Rechte und nimmt einem andere.«
Der junge Mann, der an der Wand hockte, rührte sich nicht und protestierte auch nicht. Er verfolgte die Diskussion mit entmutigter, betrübter Miene. Die panische Angst sollte ihn erst später überkommen.
»Gehen Sie, Pater; die wissen schon, was sie tun. Was die sagen, hört sich absurd an, aber hier haben sie recht.«
»Es ist ein Krieg der Hauptleute«, hatte sein Onkel ihm zugeflüstert.
Das ins Feuer geworfene trockene Gestrüpp loderte ganz plötzlich auf und erhellte sie alle. Er sah die Uniformen nicht einmal mehr, er verbrachte sein Leben nur mit Männern, die eine Uniform trugen. Er sah nur die Gesichter und die Hände seiner Kameraden, die Gesichter mit den kahl rasierten Schädeln, die Hände und die nackten Arme mit den aufgekrempelten Ärmeln. Die hoch auflodernden Flammen ließen klar umrissene Schatten auf den Gesichtern der jungen Leute rings um ihn herum tanzen. Er dachte an die Tuschemalerei. Die Flammen wurden wieder kleiner. Die dicken Äste und die harten Wurzeln, die sie aufgeschichtet hatten, würden für ein ruhiges, lang währendes Feuer sorgen. Sie sahen die Sterne wieder. Der aus der Ferne kommende Windhauch wehte den Geruch von aromatischen Sträuchern und sich abkühlenden Steinen herüber. Die Luft roch nach großer Weite; sie verbrachten die Nacht im Gebirge.
»Das sind unsere Männer. Sie folgen uns, und wir gehen, wohin wir wollen. Wir sind die Hauptleute. Unser Leben und unser Tod hängen nur von uns ab. Ist das nicht das, was du dir gewünscht hattest?«
»Doch.«
Die kreisrunde Glut erwärmte ihr Gesicht. Kleine blaue Flammen tanzten auf den schwarzen Ästen. Das harte Holz verbrannte langsam, verströmte seine Hitze in der Dunkelheit.
»Victorien, können wir auf dich zählen?«
»Wobei genau?«
»Die Macht ergreifen, de Gaulle umbringen, wenn es sein muss, Frankreich in seinen ganzen Ausmaßen behalten, das bewahren, was wir geschaffen haben. Gewinnen.«
»Dafür ist es ein bisschen zu spät. Es hat so viele Tote gegeben. All die, mit denen wir hätten reden können, sind tot.«
»Die FLN ist nicht das Volk. Sie halten sich durch Terrorakte an der Macht. Wir dürfen nichts durchgehen lassen, sondern müssen Stück für Stück alles ausmerzen.«
»Ich habe genug von all den Toten, auch von denen, die noch kommen werden.«
»Du kannst doch nicht jetzt aufhören. Nicht jetzt.«
»Sie haben nicht unrecht, wenn sie uns verjagen wollen.«
»Warum sollten wir weggehen? Wir haben Algier aufgebaut.«
»Ja, aber zu einem Preis, der immer eine Wunde in uns bleiben wird. Die Kolonie ist wie eine Made, die an der Republik nagt. Die Made nagt an uns auf dieser Seite des Meeres, doch wenn wir heimkehren, wenn all die heimkehren, die gesehen haben, was hier geschehen ist, dann überquert die koloniale Fäulnis das Meer mit ihnen. Wir müssen das kranke Glied abtrennen. Und das hat de Gaulle vor.«
»Es ist feige wegzugehen, Victorien, und die Leute sich selbst zu überlassen. De Gaulle ist ein großer Scherzbold. Seine Vorstellung von Frankreich ist nur ein Wortspiel, ein bloßer Effekt des französischen Esprits. Er hat beschlossen, uns scheitern zu lassen, dabei waren wir kurz davor, das Land wiederzuerobern. Komm mit uns, Victorien, im Namen dessen, was du sein wolltest.«
»Ich glaube nicht, dass ich das wollte.«
»Tu es für Euridice. Wenn wir weggehen, ist
Weitere Kostenlose Bücher