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Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Titel: Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexis Jenni
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es gemeinsam getan zu haben, dachte Salagnon. Irgendetwas Gutes. Das sind kindliche Vorstellungen, aber man wird nur von kindlichen Vorstellungen mitgerissen.
    Wir können stolz darauf sein, dass wir nicht eingeknickt sind. Davon sollte erzählt werden, von der Auflehnung, die unsere Ehre rettete. Über alles andere wurde schamhaft ein Schleier gebreitet. Und dieser Schleier, ein über Leichen ausgebreitetes Laken, von denen man ahnte, dass sie verunstaltet waren, wird uns ersticken lassen. Aber im Moment, winken uns die Mädchen von Algier zu, jene Mädchen mit offenem Haar, gebräunten Beinen und forschem Blick; sie winken den im Lastwagen aus den Bergen zurückkehrenden Kriegern zu, die mager und gebräunt sind wie Hirten, von kristallisiertem Schweiß bedeckt, mit geschwärztem Blut befleckt, schlecht rasiert, die den Geruch ermüdeter Raubtiere verbreiten, den Geruch bezwungener, aber erlebter Angst, den Geruch von Pulver, Waffenfett und Dieselöl; sie winken uns diskret zu, worauf wir nur schwach reagieren. Die anderen zählen nicht. Die Fallschirmjäger dösen auf den Bänken des Lastwagens, ihr seitlich auf die Schulter des Nachbarn gelegter Kopf wird hin und her geschüttelt, ihre gut gefettete Waffe ruht zwischen ihren gegrätschten Beinen auf der Ladefläche. Nicht alle sind zurückgekommen. Sie sehen nach genau dem aus, was sie tatsächlich sind: eng aneinandergedrückte neunzehnjährige Jungen. Einer von ihnen fährt sie; Salagnon, der eine Reihe von Jahren älter ist, sitzt im Fahrerhaus und zeigt mit einer Handbewegung die Richtung an. Er sagt ihnen, wohin sie fahren sollen. Sie folgen ihm mit geschlossenen Augen.
    Die schweren GMC Trucks konnten nicht durch die schmalen, immer wieder von Treppen unterbrochenen Gassen der Kasbah fahren. Sonst hätten sie es getan, sie hätten mit ihren großen, mit Soldaten besetzten, nach Dieselöl stinkenden Lastwagen das arabische Viertel durchquert und die starken Motoren aufheulen lassen, denn kein Gebiet darf außerhalb der Gesetzbarkeit liegen: das musste in diesem Krieg gezeigt werden, das musste man ihnen zeigen. Aber die steilen Gassen waren für die Lastwagen mit ihren breiten Reifen zu schmal, daher fuhren sie an dem aus weißen Häusern errichteten Viertel entlang, in dem es von Menschen wie in einem Bienenhaus wimmelte, durch die weiter unten liegenden Straßen, die Rue Randon und die Rue Marengo, ehe sie Bab el-Oued erreichten und schließlich die noch höher gelegenen Viertel.
    Die Lastwagen verlangsamten, die Leute liefen auf der Fahrbahn, sie waren zahllos. Da sind sie!, sagte sich Salagnon plötzlich. Mit einem Schlag wach, richtete er sich auf. Sie! Die Dummheit dieses Ausrufs entzückte ihn: So einfach war das! Die Männer hinter ihm richteten sich ebenfalls auf wie auf der Lauer liegende Jagdhunde, schliefen nicht mehr. Sie . Die Lastwagen fuhren im Schritttempo durch die überfüllte Straße, streiften die Fußgänger, die den Blick nicht zur Seite wandten, ihre Augen befanden sich auf der Höhe der großen staubigen Reifen der GMC Trucks, sie achteten lediglich darauf, dass ihre Füße nicht zermalmt wurden. Sie. Sie sind so zahlreich, dachte er, ein Strom, und wir sind undurchdringliche Steine, sie sind so zahlreich, dass sie uns wegschwemmen werden.
    Von wochenlangen Einsätzen im Gebirge erschöpft, seit Stunden vom sanften Brummen der Lastwagenkolonne in den Schlaf gewiegt, überfiel ihm beim Anblick der Straßen von Algier plötzlich eine Phobie vor dem Tempo, mit dem sich diese Bevölkerung vermehrte. Vielleicht war die Masse daran schuld, vielleicht die schmalen Straßen, vielleicht die giftigen schwarzen Abgase der starken Motoren in den stickigen Straßen. Diese Phobie überfiel ihn mit einer plötzlichen Abscheu angesichts der Geburtenrate. Angesichts einer Zahl von Abscheu ergriffen zu werden, ist eine Form von Wahnsinn, aber auf dem Gebiet der Rasse ist alles Wahnsinn. Alles in Zahlen messen zu wollen, ist reiner Wahnsinn.
    Die Araber hoben nicht den Blick, wandten ihn nicht ab, sahen sie nicht an; sie lehnen uns ab, dachte Salagnon. Sie warten nur darauf, dass wir weggehen. Und wir werden weggehen, wenn wir sie nicht alle zerschlagen wollen, und das können wir nicht. Acht gegen einen, und so viele Kinder. Ein riesiger Strom, und wir sind nur ein paar große Steine. Das Wasser erreicht immer sein Ziel. Wir werden früher oder später weggehen, geschlagen von ihrer Geduld, alles zu ertragen.
    Sie und wir; wir sehen uns, ohne uns

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