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Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Titel: Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexis Jenni
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Ich gehorche. Meine Rolle besteht darin, das zu erhalten.« Mit einer Handbewegung deutete er auf seine Uniform, den Schreibtisch und Salagnons eingerahmte Zeichnungen. »Egal was ich tue. Ich muss es erhalten.«
    Die Fallschirmjäger aus schwarzer Tusche blickten sie starr an wie eine Ehrenwache, die sich durch nichts stören lassen würde; jeder hatte einen Namen, mehrere von ihnen waren tot; Trambassac wachte gut über sie. »Ich erhalte das hier«, sagte er. »Ich bin stolz auf diese Männer. Ich gehorche. Tun Sie, was Sie tun müssen, meine Herren.«
    Der Onkel stand mit einem Satz auf und verließ wütend den Raum, gefolgt von Salagnon.
    »Und du, Victorien?«
    »Ich interessiere mich nicht für die Macht.«
    »Ich auch nicht. Ich will nur, dass man respektiert, was wir getan haben. Das werden wir schaffen. Das müssen wir schaffen. Das schaffe ich. Sonst erhole ich mich nie von dieser Demütigung, die schon zwanzig Jahre dauert. Und all die Toten, die mich umgeben, wären dann umsonst getötet worden.«
    »Auch ich bin von Toten umgeben. Ich habe den Eindruck, als töte der Kontakt mit mir. Das geht zu weit. Ich muss aufhören. Ich hätte schon früher aufhören sollen.«
    »Jetzt aufzuhören bedeutet, alles zu verlieren. All das zu verlieren, was vorher stattgefunden hat.«
    »Das ist bereits verloren.«
    »Bist du auf unserer Seite?«
    »Mach das ohne mich.«
    Malen rettete sein Leben und seine Seele. Er tat mehrere Tage lang nichts anderes. Malen ermöglicht, jenen wunderbaren Zustand zu erreichen, wo die Sprache verstummt. In der Stille der Bewegungen war er nur noch das, was um ihn herum war. Er malte Euridice. Er malte Algier. Er schlief in seinem Quartier, damit man wusste, wo er war. In der Verwirrung, die dem Staatsstreich folgte, nahm man ihn fest. Vier Männer in Zivil stürzten in seine Stube, stellten sich im Halbkreis vor ihm auf, um sich nicht gegenseitig zu behindern, die Schusslinien freizuhalten und keinen toten Winkel zu lassen; mit fester, aber leicht beunruhigter Stimme forderten sie ihn auf, ihnen zu folgen. Er stand ohne jähe Bewegung auf und ließ seine Hände stets sichtbar; er reinigte seine Pinsel und folgte ihnen. Sein Onkel war verschwunden, Salagnon erfuhr, dass er in Spanien auf der Flucht war. Die Männer in Zivil verhörten ihn lange, aber ohne ihn anzutasten. Er wurde in Isolierhaft gebracht. Man erlaubte ihm, ein Heft und einen Bleistift zu behalten. Er konnte lange vor einem weißen Blatt sitzen, das die Größe einer Hand hatte.
    Dann ließ man ihn frei. Nicht alle waren festgenommen worden. Wer hätte sonst das Gefängnis bewacht? Er kehrte zu seinem Bataillon zurück, das umstrukturiert und umbenannt worden war.
    Die rivalisierenden Kräfte wurden immer zahlreicher. Soldaten wie er waren nicht mehr die Einzigen, die Waffen besaßen. Die jungen Wehrpflichtigen, die soeben ihre Familie verlassen hatten, trugen Waffen. Die uniformierten Polizisten trugen Waffen. Die Beamten der diversen Polizeidienste trugen Waffen. Aus Frankreich gekommene Männer in Zivil trugen Waffen. Die verwirrten, wütenden Europäer aus Algier besaßen Waffen. Die stolzen, disziplinierten Araber besaßen Waffen. Sporadische Schießereien fanden jeden Tag statt. Dumpfe Explosionen ließen die Scheiben erzittern. Krankenwagen fuhren ununterbrochen durch Algier, brachten die Verletzten nach Hussein-Dey. In den Krankenzimmern brachten sich die Leute gegenseitig um. Die militärischen Einsätze waren eingestellt worden, es wurden keine Hausdurchsuchungen mehr vorgenommen, man versuchte zu überleben. Andere Menschen kämpften inzwischen, legten sich gegenseitig Hinterhalte in Cafés, sprengten Villen in die Luft, warfen verstümmelte Leichen ins Meer. Trambassac verharrte trübselig in seinem Büro, sein schönes Werkzeug wurde nicht mehr gebraucht.
    Die Fallschirmjäger wurden nach Frankreich zurückgeschickt. Sie überquerten das Meer mit dem Schiff. Salagnon wurde nach Deutschland abkommandiert. Wieder mal, sagte er sich lächelnd, aber nach was für einem Umweg! Man verlegte ihn auf eine Basis, auf der ein Panzerregiment stationiert war. Die auf dem sauberen Beton aufgereihten Hubschrauber blieben am Boden. Die nagelneuen großen Häuser in Deutschland dienten nur der Unterbringung, alles darin war funktional, die Straßen erlaubten keinerlei Leben. Der stets bewölkte Himmel glich einem riesigen Zeltdach aus grauem Leinen, das von unglaublichen Wassermengen aufgebläht war, die jederzeit bereit

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