Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)
Koffer anfasst, lege ich dich um. Und Salagnon, du altes Weichei, du feiger Verräter, du kratzt die Kurve mit deinem warmen Bruder in seinem geblümten Hemd, ehe ich wütend werde. Das hier machen wir unter uns ab.«
Seine Waffe war auf Salagnons Stirn gerichtet, der Zeigefinger zitterte auf dem Abzug. Mariani hob den Arm wie bei einer Übung und schoss ihm eine Kugel in den Schädelansatz. Das Blut spritzte auf das vor das Fenster geschraubte Blech, und der Mann sackte schlaff zusammen.
»Du bist wohl bescheuert, Mariani, wenn er einen Krampf gehabt hätte, hätte er mich erwischt.«
»Man kann nicht immer alles unter Kontrolle haben; aber es hat doch geklappt.«
Euridice biss sich auf die Lippen und folgte ihnen. Sie nahmen Salomon an der Schulter, und er kam folgsam mit. Die Explosion einer Bombe ließ die Luft erzittern, eine weiße Staubwolke erhob sich am Ende der Straße. Trümmer lagen auf dem Bürgersteig, ein Geschäft stand in Flammen, zerbrochene Möbel warteten darauf, verbrannt zu werden. Mehrere Autos standen mit offenen Türen und sternförmig gesprungener Windschutzscheibe quer auf der Straße; in einem von ihnen war der blutüberströmte Fahrer über dem Steuer zusammengebrochen. Ein eleganter Araber inspizierte den am Bürgersteig geparkten Citroën 2 CV .
»Dr. Kaloyannis, freut mich Sie zu sehen.«
Er richtete sich auf. Der Kolben einer Pistole lugte hinter seinem Gürtel hervor. Er lächelte sehr selbstsicher.
»Sie kommen gerade recht. Ich habe soeben den Laden der Ramirez gekauft. Für wenig Geld, aber viel mehr, als wenn man ihnen den Laden weggenommen hätte. Ich habe auch vor, Ihren Wagen zu kaufen.«
Sie verstauten die Koffer im Kofferraum.
»Ich lege großen Wert darauf, Dr. Kaloyannis.«
»Er verkauft nicht«, knurrte Mariani.
»Ich könnte ihn mir nehmen, aber ich biete Ihnen an, dafür zu bezahlen«, sagte er lächelnd.
Die Schüsse folgten ganz kurz aufeinander, aber in dem Durcheinander, das auf der Straße herrschte, bemerkte man das gar nicht. Mariani hatte dem Mann in die Brust geschossen, sodass er stolperte und zusammenbrach, während er in der halb aus der Tasche gezogenen Hand noch ein paar zerknitterte Geldscheine hielt.
»Mariani, du wirst doch wohl nicht alle umbringen.«
»Die Toten sind mir scheißegal. Ich habe derart viele gesehen. Die Typen, die mir im Weg sind, beseitige ich. Aber kommt jetzt.«
Sie fuhren zu einem Zeitpunkt durch Algier, da die Stadt kurz vor dem Zusammenbruch stand, Salagnon saß am Steuer und Mariani hatte den Ellbogen aus dem Fenster gelehnt und klopfte auf den Kolben seiner Waffe. Euridice saß auf der Rückbank und hielt die Hand ihres Vaters. Auf der Straße zum Flughafen wurden sie an einer Sperre von einem mobilen Einsatzkommando angehalten. Die Männer ließen den Griff ihrer an einem Schultergurt befestigten Maschinenpistole nicht aus der Hand, sie schwitzten unter ihrem schwarzen Helm. Ein Stück dahinter saß eine Gruppe von Arabern in neuen Uniformen auf der Motorhaube eines Jeeps.
»Wer ist das denn?«
»Soldaten der FLN . Wir ziehen heute Abend ab. Sie ersetzen uns, und dann wird niemand mehr durchgelassen. In Wirklichkeit wissen wir gar nicht, wie es weitergeht. Und es ist uns auch völlig egal. Sollen sie sich doch untereinander einigen.«
Salomon öffnete die Tür und stieg aus.
»Papa, wohin gehst du?«, fragte Euridice mit zugeschnürter Kehle.
»Frankreich ist zu weit weg«, knurrte er. »Ich will hierbleiben. Ich will zu Hause bleiben. Ich werde mal mit ihnen reden.«
Er ging auf die Männer der FLN zu und sprach sie an. Es kam zu einem Gespräch. Salomon wurde immer lebhafter, die Araber lächelten breit, legten ihm eine Hand auf die Schulter. Sie ließen ihn hinten in den Jeep steigen, einer von ihnen setzte sich neben ihn. Sie redeten, doch aus dem Citroën konnten man nicht hören, was sie sagten, Salomon machte einen besorgten Eindruck, die Araber lächelten und ließen die Hand auf seiner Schulter liegen.
»Fahren Sie jetzt oder nicht?«, fragte der Soldat des mobilen Einsatzkommandos gereizt.
»Euridice?« Salagnon wandte sich nicht zu ihr um, sondern fragte sie nur, ohne sie anzusehen, die Hände auf dem Steuer, zu allem bereit.
»Wie du willst, Victorien.«
Er begnügte sich mit dem festen Ton ihrer Stimme, ohne zu versuchen, ihr Gesicht im Rückspiegel zu sehen, und fuhr los, um die Straßensperre hinter sich zu lassen. Alle möglichen Autos standen in wildem Durcheinander am Straßenrand. Der
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