Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)
Koffer, die Frau große Umhängetaschen, und die vier Kinder und die Großmutter trugen so viel sie konnten. Der Mann hielt sie schimpfend und schwitzend zur Eile an. Nach ein paar Dutzend Metern wurden sie von jungen Leuten in weißem Hemd angehalten, die ihnen sagten, sie sollten kehrtmachen. Darauf folgte eine Auseinandersetzung, der Ton wurde gereizter, begleitet von ausladenden Gesten, der Mann hob seine beiden Koffer wieder auf und machte einen Schritt nach vorn. Einer der jungen Leute zog eine Pistole hinter seinem Gürtel hervor und streckte den kleinen, korpulenten Mann mit einer Kugel nieder. »Niemand geht weg von hier!«, schrien sie, damit man es durch alle offenen Fenster und auf den Balkons hörte, von denen sich die Leute hinabbeugten, um zu sehen, was da geschah. »Wir bleiben hier!« Dann entfernten sie sich, und alle auf der Straße stimmten dem vage zu, senkten den Kopf und gingen im Bogen um den Toten. Mariani und Salagnon machten nirgendwo halt. Sie gingen durch Bab el-Oued, um Euridice abzuholen. Ihre kleine Wohnung war leer. Sie fanden sie bei ihrem Vater.
Salomon war verstört und verließ seine Wohnung nicht mehr. Er hatte die Fensterläden geschlossen, lebte im Halbdunkel und hatte Blechplatten vor jedes Fenster geschraubt, die sie bis in halbe Höhe versperrten. Victorien klopfte mit dem Zeigefinger dagegen, sie hallten elastisch wider.
»Wo hast du die denn gefunden, Salomon?«
»Das sind die Abdeckungen von Gasherden.«
»Glaubst du, das kann dich schützen?«
»Victorien, auf der Straße wird geschossen. Man schießt auf die Leute, schon wenn man am Fenster vorbeigeht, kann man getötet werden. Ich weiß nicht einmal mehr, wer da schießt. Und sie wissen nicht einmal mehr, auf wen sie schießen. Sie schießen, wenn ihnen ein Gesicht nicht passt, und hier ähneln wir uns doch alle sehr. Ich schütze mich. Ich will nicht zufällig sterben.«
»Salomon, durch so ein Blech geht eine Kugel hindurch wie durch Pappe. Das schützt dich nicht, und du siehst nichts mehr. Damit nagelst du nur deinen Sarg zu, und zwar mit dir da drin. Du musst weg von hier. Wir nehmen dich mit.«
Als die beiden breitschultrigen Männer mit ihren schneidigen Bewegungen und misstrauischen Augen die verdunkelte Wohnung betreten hatten, in der sich bereits ein muffiger Kellergeruch ausbreitete, hatte sich Euridice unendlich erleichtert an Salagnon geschmiegt.
»Ich bin da, um dich abzuholen«, flüsterte er ihr ins Ohr und wurde vom berauschenden Geruch ihres Haars erfüllt.
Sie hatte zustimmend mit dem Kinn auf seiner Schulter genickt, ohne etwas zu sagen, denn wenn sie den Mund geöffnet hätte, um zu sprechen, hätte sie geschluchzt. Die Explosion einer Bombe ganz in ihrer Nähe ließ die Scheiben erzittern, Euridice zuckte zusammen, ohne die Augen zu öffnen, und Salomon zog den Kopf noch ein wenig mehr ein. Er stand mit geschlossenen Augen mitten im Raum und rührte sich nicht.
»Los, Kaloyannis, auf geht’s!«, sagte Mariani.
»Aber wohin denn?«
»Nach Frankreich.«
»Was soll ich denn in Frankreich?«
»Das ist das Land, dessen Pass Sie besitzen. Hier sind Sie nicht mehr wirklich zu Hause, wenn ich mir die Bleche ansehe, mit denen Sie Ihre Fenster versperren.«
»Wir gehen weg, Papa«, sagte Euridice.
Sie holte zwei Koffer, die bereits gepackt waren. Es klopfte sehr heftig an die Tür. Mariani öffnete. Ein völlig aufgeregter Typ stürmte in den Raum, sein weit geöffnetes weißes Hemd leuchtete im Halbdunkel. Er machte abrupt vor Euridice halt.
»Was macht du hier mit den Koffern?«
»Ich gehe weg.«
»Wer ist das?«, fragte Mariani.
»Ihr Mann.«
»Nimmst du sie mit, Salagnon?«, schnauzte er.
Er zog eine Waffe hinter seinem Gürtel hervor. Er redete gestikulierend und hatte dabei den Finger auf dem Abzug liegen.
»Es kommt gar nicht in Frage, dass du weggehst. Ihr, ja. Ihr kehrt nach Frankreich zurück. Ihr habt es nicht geschafft, die dreckigen Araber kleinzukriegen, daher könnt ihr abhauen, jetzt übernehmen wir das. Euridice ist meine Frau, die bleibt zu Hause. Der Dr. Kaloyannis ist zwar halb Jude, halb Grieche, aber er stammt von hier. Er geht nicht weg, sonst jage ich ihm eine Kugel zwischen die Rippen.« Euridices Mann sah sehr gut aus. Er redete voller Schwung, sein dichtes schwarzes Haar glitt ihm in die Stirn, und in den Winkeln seines schönen Mundes schäumte etwas Speichel. Beim Reden richtete er die Waffe auf den jeweils Angesprochenen. »Kaloyannis, wenn du diesen
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