Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)
Flughafen war total überfüllt. Es trafen unablässig weitere Menschen ein. Ein Sperrgürtel aus Soldaten hinderte die Leute daran, auf die Startbahn zu laufen. Die beiden Männer nahmen Euridice in ihre Mitte und bahnten sich einen Weg durch die Menge. Die Leute drängten sich nach vorn, schrien, schwenkten ihre Flugscheine, doch die Schulter an Schulter stehenden Soldaten versperrten ihnen den Weg. Die Flugzeuge starteten eins nach dem anderen. Salagnon entdeckte einen Offizier und flüsterte ihm ein paar Worte ins Ohr. Nach ein paar Minuten kam ein Jeep, und Trambassac stieg aus. Man ließ sie durch.
»Nicht sehr erfreulich, Ihre letzte Mission, Herr Oberst.«
»Ich gehorche. Ich nehme an, dass Sie das nicht zeichnen.«
»Nein.«
Trambassac besorgte ihnen Plätze in einer kleinen offiziellen Maschine, mit der hohe Beamte des Generalgouvernements Algerien das Land verließen; die Beamten hatten Mappen voller Akten dabei, sie kümmerten sich nicht um sie.
Das Flugzeug startete, flog über Algier eine Kurve und ging auf nördlichen Kurs. Euridice vergoss sanfte Tränen, ganz still, sie schluchzte nicht. Es war, als entleere sie sich durch die kleinen Löcher ihrer Augen. Da nahm Victorien sie in den Arm, sie schlossen beide die Augen, so verbrachten sie den ganzen Flug.
Mariani konnte den Blick nicht vom Fenster lösen, er betrachtete den Zusammenbruch von allem in Wolken von Benzinrauch, solange er konnte, und fluchte über diese Niederlage. Als sie über das Meer flogen und er nichts mehr sah, hinderte ihn die Wut daran, die Augen zu schließen; ständig sah er seine brudermörderische Wut vor sich, sie machte ihm Vorwürfe. Er wusste nicht, was er darauf antworten sollte.
KOMMENTAR VII
Wir betrachteten den paseo der Toten, ohne ihn zu begreifen
S chreiben ist nicht meine Stärke; ich hätte mich gern mit den Mitteln der Malerei ausgedrückt, in der Hoffnung, das würde genügen. Aber mein unzureichendes Maltalent ist verantwortlich dafür, dass ich zum Erzähler geworden bin. Diese Erzählung kleiner Ereignisse wird bestimmt niemanden interessieren, dennoch habe ich mich darauf versteift, auf Französisch ein paar Einzelheiten aus dem Leben jener vor Augen zu führen, die diese Sprache sprechen, da ich unbedingt die Geschichte einer Gemeinschaft von Menschen erzählen will, die miteinander reden können, weil sie dieselbe Sprache sprechen, die aber schließlich scheitern, weil sie über tote Worte stolpern. Es gibt Worte, die man nicht mehr ausspricht, die aber noch da sind, und wir sprechen mit Blutklumpen im Mund, die die Bewegungen unserer Zunge behindern, so dass wir zu ersticken drohen, und daher verstummen wir schließlich.
Es ist eine banale Konsequenz der gewalttätigen Zeiten der Geschichte: Manche der geläufigen Worte sind derart mit geronnenem Blut verstopft, dass sie wie eine Sprengladung explodieren und ihr Sinnkreislauf einer Thrombose zum Opfer fällt. Die Worte, die daran sterben, dass sie in bestimmter Weise benutzt worden sind, kann man nicht mehr verwenden, ohne sich die Hände zu besudeln. Aber da sie noch immer vorhanden sind, vermeidet man sie, macht einen Umweg, ohne sich etwas anmerken zu lassen, doch dieser Umweg ist sichtbar; man benutzt Umschreibungen, und eines Tages stolpert man, weil man vergessen hat, dass man diese Worte nicht mehr aussprechen darf. Man verwendet diese mit Blut verstopften Worte, und dann spritzt es hervor, man beschmutzt die Umstehenden mit den Blutgerinnseln, die sie enthalten, man befleckt die Hemden jener, die uns zuhören, sie schreien laut auf, weichen zurück, protestieren, und man entschuldigt sich. Wir verstehen einander nicht. Man hat aus Versehen ein totes Wort verwendet, das dort herumgeisterte. Man hätte genauso gut darauf verzichten können, aber man hat es ausgesprochen. Man wollte es verwenden, kann das aber nicht mehr; es ist von einer Geschichte belastet, die mit Blut besudelt ist. Dieses an einem Blutgerinnsel erkrankte Wort, dem der Stillstand durch ein Versagen der bisherigen Funktion droht, bleibt eine ständige Gefahr, eine Bedrohung durch einen Gesprächsinfarkt.
Schreiben ist nicht meine Stärke, aber ich schreibe für ihn, der niemandem etwas erzählen kann, damit er mich das Malen lehrt; und ich schreibe auch für sie, um ihr zu sagen, was sie ist, und damit sie zulässt, dass das, was ich erzähle, also sie, mir die Arme öffnet.
Schreiben ist nicht meine Stärke, aber durch die Notwendigkeit und das mangelnde Zeichentalent
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