Die Frau am Tor (German Edition)
Ohnmacht in seinem Kopf zu stoppen. “Was würde denn wohl dein Mann sagen, wenn er erführe, dass du eine Affäre hast, noch dazu mit jemandem, der seinen Rivalen ersticht? Das ist doch lächerlich.”
“ Mein Mann, mein Mann, ich weiß gar nicht, was du immer mit meinem Mann hast”, ereiferte sie sich. “Was weißt du denn überhaupt über unsere Ehe? Meinst du vielleicht, wir wären eines von diesen Bilderbuchpaaren, die sich ewige Treue geschworen haben und entsprechend leben? Meinst du, er wüsste nicht, dass ich weiß, was er so alles treibt, wenn er unterwegs ist? Und glaubst du etwa, er würde denken, dass ich hier wie eine Nonne lebe, wenn er dauernd nicht da ist? Mein Mann – als ob der aus allen Wolken fallen würde, wenn ich eine Affäre hätte!”
Sie stockte und schlug die Augen nieder, um nach einer Pause leiser und fast reuig fortzufahren: “Ach nein, was rede ich da, vergiss, was ich da gerade gesagt habe, ganz so ist es auch wieder nicht.”
“ Dann rede doch auch nicht solchen Unsinn. Mich interessiert übrigens auch gar nicht, was für eine Art von Ehe ihr führt. Jedenfalls nehme ich dir einfach nicht ab, dass du riskieren würdest, auch noch deinen Mann in solch eine Geschichte hinein zu ziehen, da würdest du doch am Ende selbst als die Dumme dastehen.”
“ Du verstehst es einfach nicht”, sagte sie, jetzt wieder mit Schärfe. “Was kann er denn dafür, wenn der Liebhaber seiner Frau zum Messer greift? Damit hat er dann doch gar nichts zu tun, das kann man ihm doch nicht ankreiden. Und was würde ich dabei schon groß riskieren, außer, als Ehebrecherin da zu stehen – eine von Millionen, na und? Nein, nein, mein Lieber, mach dir nichts vor. So einfach kommst du nicht davon. Ich habe mir das, wie gesagt, sehr genau überlegt. Du musst mir helfen, sonst......”
“ Du drohst mir also.”
“ Wenn du das so nennen möchtest...Wie würdest du beweisen wollen, dass es nicht so war, wie ich sage? Dass du ihn nicht umgebracht hast?”
“ Sag mal, hast du eigentlich gar keine Angst, dass mir tatsächlich die Nerven durchgehen, und zwar jetzt und hier, und dass ich dich packen könnte, um dich einmal so gründlich zur Raison zu bringen, dass dir Hören und Sehen vergeht und womöglich sogar noch mehr?”, sagte er mit einem harten Flüstern.
“ Nein, diese Angst habe ich nicht. Ich habe viel Angst, das weißt du, aber vor dir habe ich keine. Du bist nicht böse. Du bist zwar ein Scheißkerl, weil du erst mit mir ins Bett steigst und mich anschließend links liegen lässt, das ja. Aber Angst haben muss ich vor dir nicht. Das weiß ich ganz genau. Du bist nicht gewalttätig. Im Grunde bist du gutmütig. Und du wirst mir auch diesmal helfen, ich weiß es.”
Sie verzog das Gesicht zu einem halb spöttischen, halb werbenden Lächeln und fixierte ihn mit ihren dunklen, großen, leicht schräg stehenden Augen, und er hatte Mühe, ihrem Blick auszuweichen.
Resigniert ließ er die Schultern sinken – um sie sofort wieder zu straffen.
„ Nein“, sagte er. „Schluss, aus. Ich mache es nicht. Sieh selber zu, wie du aus dieser Geschichte wieder herauskommst. Mit mir kannst du jedenfalls nicht mehr rechnen.“
Sie starrte ihn an.
Mit einer plötzlichen, schnellen Bewegung stürzte er aus dem Zimmer und zur Haustür hinaus, die er hinter sich zu knallte, und dann rannte er und rannte und meinte noch ihren überraschten, wütenden Aufschrei im Ohr zu haben.
21.
Schwer atmend und schweißüberströmt kam er in seiner Wohnung an – noch unfähig, so recht zu begreifen, was er soeben erlebt hatte. Er würde jetzt die Polizei anrufen, sofort, um diesem Spuk, diesem Albtraum ein Ende zu bereiten.
Nein, nicht sofort. Erst einmal musste er duschen und sich umziehen. So konnte er niemandem entgegentreten. Denn es war ja wohl anzunehmen, dass die Polizei ziemlich bald bei ihm auftauchen würde, wenn er ihr einen solchen Todesfall meldete, egal, ob es mitten in der Nacht war.
Im Badezimmer schälte er sich aus seinen Kleidern und trat in die Kabine, und als das Wasser auf ihn hernieder prasselte, war ihm, als würde damit vieles abgewaschen, nicht nur Schweiß, sondern auch Schmutz – viel, aber nicht alles. Da schien es Anhaftungen zu geben, die inzwischen zu hartnäckig waren, um sich so ohne weiteres abspülen zu lassen. Ja, diese Metapher traf es ziemlich genau. Und während er nach darüber nachdachte, kam ihm wieder Julias Drohung in den Sinn, sie werde ihn als Mörder bezichtigen,
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