Die Frau am Tor (German Edition)
überschlugen sich.
War das überhaupt möglich, was sie ihm da mehr oder minder explizit zu verstehen gab? Rein physisch gesehen? Er erinnerte sich, wie sie sich zu zweit mit dem toten Oliver Rensing abgemüht hatten, um ihn in den Wagen zu schleppen. Allerdings war der auch mindestens doppelt so schwer gewesen.
Als hätte sie seine Zweifel erraten, trat sie ihm in der Schlafzimmertür entgegen, ein spöttisches Lächeln auf den Lippen.
„ Du denkst bestimmt, ich könnte so etwas nicht schaffen, aber unterschätze mich nicht. Ich bin ganz schön stark, wenn es darauf ankommt, und ein paar Muskeln habe ich auch, vom Sport, auch wenn man die nicht so sieht. Müsstest du aber eigentlich gemerkt haben. Außerdem handelte es sich ja um ein echtes Leichtgewicht.“
Er dachte unwillkürlich an ihren schlanken, straffen Körper, an die Umklammerung ihrer Arme und Schenkel.
„ Übrigens wohnst du hier ja wirklich komfortabel, richtig gediegen“, fuhr sie fort, ohne seine Reaktion abzuwarten. „Und das nicht nur im Vergleich zu einer Knastzelle. Also, was ist nun? Worauf warten wir noch? Komm mit, um so schneller haben wir es hinter uns.“
22.
„ Los, mach wieder zu!“, befahl er ihr, und da sie nicht gleich folgte, tat er es selber, schubste sie betont unsanft zur Seite und drückte den Kofferraumdeckel herunter. Ein Blick im Schein der Straßenleuchte hatte ihm genügt. Der Körper des kleinen Mannes lag rücklings diagonal auf der Ladefläche, auf der er ohne weiteres Platz fand. Sie hatte es nicht einmal für nötig erachtet, ihn mit irgendetwas zuzudecken.
„ Du musst doch völlig verrückt sein. Als erstes müssen wir mal hier weg, und zwar schnell.“
Sie stiegen ein, er wies sie an, ein Stück zu fahren und in eine dunkle, kaum bebaute Seitenstraße einzubiegen, wo er sie anhalten ließ.
Sobald ihr klargeworden war, dass sie es abermals fertiggebracht hatte, ihn zu überreden, war ihre Stimmung wieder in jenen anderen, ihm wohlbekannten Modus umgeschlagen. Jetzt war sie bereit, zu tun, was er sagte, sich zu fügen. Ihn überkam eine Woge von Hass auf sich selbst angesichts dieses schmachvollen Siegs, der letztlich aus nichts anderem als Angst geboren war. Zugleich empfand er sein Nachgeben als eine Art Selbstbestrafung, ein hoffentlich letztes Opfer, das er allein schon deswegen bringen musste, weil er anders keine Ruhe finden würde. Und dabei konnte nicht einmal sicher sein, ob dies der richtige Weg war. Er versuchte die Reste seines sonst so bewährten, kühlköpfigen Pragmatismus zu aktivieren und zwang sich, seiner Rolle gerecht zu werden, so gut es noch ging.
“ Ich will jetzt genau wissen, was passiert ist - wer dieser Mann ist, weshalb er bei dir war und weshalb er tot ist. Und komm mir nicht mit irgendwelchen Märchen.“
“ Moment, ich muss erst nochmal eine von meinen Tabletten nehmen”, sagte sie kleinlaut, öffnete das Handschuhfach, zog eine kleine Tasche heraus und begann darin zu kramen. Sie schluckte ihre Pille und fingerte dann nach den Zigaretten.
„ Lass das! Ich möchte hier nicht eingeräuchert werden!“ Er fand es auch pietätlos wegen des Leichnams, wie er sich zu seiner Verwunderung eingestehen musste. Schließlich hatte er schon häufiger erleben müssen, wie in Gegenwart von Toten Zigaretten angezündet wurden.
Sie ließ die Schachtel in ihren Schoß fallen und faltete dort ihre Hände, sodass es wie eine Geste des Gehorsams wirkte.
“ Also, er heißt Heiko, den Nachnamen weiß ich gar nicht”, begann sie stockend. “Und er gehörte damals auch zu dieser Clique, von der ich dir erzählt habe. Aber ich habe ihn nicht allzu oft gesehen. Ich glaube, er war keiner von den ganz engen Freunden von Oliver, aber das weiß ich nicht mehr so genau. Vielleicht war er es doch. Es hat mich, ehrlich gesagt, auch nicht weiter interessiert....Jedenfalls, er war es, der versucht hat, mich zu erpressen. Vorher wusste ich es nicht, aber jetzt weiß ich es. Ich weiß, du willst mir das nicht so richtig glauben, diese Sache mit dem Anruf, auf den wir vergeblich gewartet haben. Aber es stimmt wirklich. Er hat mir auch diesen Brief in den Kasten gesteckt hat, den ich dir gegeben habe. Und heute Abend stand er auf einmal bei mir vor der Tür. Ich wusste zunächst nicht, wer er war, aber dann dämmerte es mir. Frag mich nicht, weshalb ich ihn einfach hereingelassen habe. Auf einmal war er jedenfalls im Haus, in der Wohnung. Ich bin nun mal ziemlich durcheinander von all dem. Es war
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