Die Frau am Tor (German Edition)
furchtbar. Und wie er dann mit mir geredet hat...”
Sie machte eine Pause. Er wartete.
“ Er wollte Geld, das hat er mir eindeutig zu verstehen gegeben. Andernfalls wollte er zur Polizei gehen und sagen, dass Oliver hier bei mir war, bevor er verschwand. Er wisse das, weil Oliver ihm am selben Tag erzählt habe, dass er mich besuchen wolle. Und er sagte er sei sich absolut sicher, dass ich mit seinem Tod zu tun hätte. Aber dann fing er auch noch mit etwas anderem an. Er begann auf solch eine widerliche Art, mir Komplimente zu machen, von wegen, dass er mich damals schon immer, nun ja, attraktiv gefunden habe. Natürlich hat er das etwas weniger dezent ausgedrückt. Ich sage dir, mir ist fast schlecht geworden, aber ich bin zum Schein darauf eingegangen, weil ich plötzlich diese Idee hatte, ich könnte ihn vielleicht irgendwie....nun ja, umstimmen, wenn du verstehst, was ich meine..”
“ Ja, ich verstehe”, sagte er grimmig.
“ Ich weiß, ich weiß, das war falsch, und ich hätte das nicht tun sollen”, gab sie kleinlaut zu. “Aber was hätte ich denn sonst machen sollen, ganz allein mit diesem Typen hier in der Wohnung? Also habe ich ihm ein bisschen Theater vorgespielt, habe ihm etwas zu trinken angeboten und so und habe zum Schein so getan, als würde ich auf seine...na ja...Annäherungsversuche eingehen...Ja ja, guck du nur so, du kannst mich ruhig deswegen verachten. Jedenfalls saß er da, als wolle er mich mit seinen Blicken verschlingen. Meinst du etwa, ich hätte das schön gefunden? Und dann, nachdem ich, wie gesagt, kurz raus aus dem Zimmer war und wieder reinkam, da gab er plötzlich er solche merkwürdigen Laute von sich, erst so eine Art Schnaufen und dann ein Röcheln, er zuckte ein paar Mal, und dann saß er einfach nur noch da, mit diesen starrenden Augen...Oh Gott, das war so entsetzlich...Ich wundere mich selbst, wie ich das überstanden habe. Ich habe meine Tabletten geschluckt, und nachdem ich mich ein bisschen beruhigt hatte, bin ich zu dir gefahren. Was hätte ich denn anderes machen sollen? Und dann warst du nicht da. Aber ich hatte mir geschworen, so lange zu warten, bis du kommst. Auf keinen Fall wollte ich allein zurück nach Hause...auf gar keinen Fall...”
Ihre Stimme verebbte in einem matten Murmeln, während ihre Worte in seinem Schädelinneren nachhallten und er krampfhaft überlegte, ob sie einen Sinn ergaben.
Er konnte dann aber doch nicht an sich halten.
„ Immerhin warst du wenig später imstande, diesen schrecklichen toten Mann sogar eigenhändig in dein Auto zu schaffen und dann her zu mir zu bringen, und das ganz allein. Eine bemerkenswerte Leistung, das muss ich schon sagen. So schlimm kann es mit deiner Erschütterung also nicht gewesen sein,“ sagte er noch eine Spur bissiger.
„ Aber das war doch etwas völlig anderes“, widersprach sie erregt. „Was sollte ich denn machen, nachdem du einfach wieder gegangen und mich dort mit ihm sitzen gelassen hast! Ich musste doch etwas tun.“
“ Dieser Mann, dieser Heiko hat übrigens vor deinem Haus gestanden und er ist mir gefolgt, als ich letztens bei dir war und wir vergeblich auf diesen merkwürdigen Anruf warteten, der dann nicht kam”, fuhr er ungerührt fort.
“ Was? Wie bitte?”, sagte sie und schlug die Hände vors Gesicht. “Dann ist es ja noch schlimmer. Dann hat ihn womöglich noch jemand anderes hier gesehen, außer dir. Und wenn ihn heute Abend auch jemand gesehen hat, als er herkam? Oh Gott, was sollen wir denn jetzt tun?”
Er zuckte die Achseln. Dass er den Mann, der jetzt tot war, sogar zur Rede gestellt hatte, behielt er für sich. Das änderte nun auch nichts mehr. Aber ihm fiel wieder ein, dass er ihn ihr beschrieben und sie bestritten hatte, so jemanden zu kennen, und das mutete jetzt im Nachhinein nicht mehr sehr glaubwürdig an. Er wusste nicht mehr, ob er ihr überhaupt irgend etwas glauben konnte. Sie hatte ihn mit der Drohung, ihn des Mordes zu bezichtigen, dazu veranlasst, ihr ein weiteres Mal beim Beseitigen eines Toten behilflich zu sein, von dem genau wie von dem ersten durchaus nicht klar war, was seinen Tod herbeigeführt hatte, auch wenn sie sich in beiden Fällen als unschuldig darzustellen versuchte. Jetzt, im Moment, mochte sie ihm aufgelöst, hilflos und sogar bemitleidenswert vorkommen, wie ein Mensch, der sehr wahrscheinlich therapeutischer Hilfe bedurfte. Aber das war nur die eine Seite an ihr, und sie besaß mindestens drei, wenn man die ihrer sexuellen
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