Die Frau am Tor (German Edition)
falls er sich weigere, auch diesen zweiten Toten aus ihrem Haus zu schaffen und zu beseitigen.
Fest stand: er hatte kein Alibi für diesen Abend. Und das hieß, dass er auf jeden Fall zunächst einmal erhebliche Probleme bekommen würde, wenn sie ihre Drohung wahr machen würde.
Ob sie tatsächlich so weit gehen würde, war eine andere Frage, da sich sich damit ja selbst in größte Schwierigkeiten bringen würde. Andererseits gab es wohl kaum einen Zweifel, dass sie zu allerlei fähig war – womöglich zu viel mehr, als er bisher in seiner zeitweise geradezu naiven Gutgläubigkeit hatte wahrhaben wollen. Nicht zum ersten Mal – und in einem völlig anderen Sinne als Eva – fragte er sich, was neuerdings eigentlich mit ihm los war. Wenn es in seinem zurückliegenden Leben etwas gab, das er immer gehasst und immer zu vermeiden versucht hatte, dann waren das Situationen, aus denen es keinen Ausweg gab, auf die der Begriff Dilemma zutraf. Aber jetzt steckte er in einer regelrechten Falle, in die er wie ein Narr hineingestolpert war, Schritt für Schritt, bis hin zum einstweiligen Höhepunkt dieses wahrhaft blamablen Vorgangs, der darin bestand, dass er sich vor einer zweiten Leiche wiedergefunden hatte, erpresserisch genötigt, auch diese zu beseitigen.
Er stellte die Dusche ab, und ohne das Prasseln des Wassers hörte er nichts als die Stille der Nacht. Durch die halb geöffneten Fenster wehte ein lautloser, leichter Nachtwind herein, der seinen nackten Körper streichelte. Er zog nur Boxershorts und ein enges T-Shirt über.
Doch dann wurde es plötzlich laut.
Unten vor dem Haus ertönte ein lautes Hupen, das kein Ende nehmen wollte, dann das Schlagen einer Autotür. Sekunden später klingelte es schrill und ausdauernd an der Haustür. Ohne zu überlegen hastete er durch den Flur, um den Öffner zu drücken, nur damit dieser Lärm aufhörte. Im nächsten Augenblick war er im Wohnzimmer am Fenster, um sich Gewissheit zu verschaffen, obschon das im Grunde überflüssig war. Es gab nur eine Antwort auf die Frage, wer das sein mochte.
Er hörte ein Hämmern gegen die Wohnungstür und zugleich ihre Stimme: „Los, nun mach schon auf, sonst schreie ich das ganze Haus zusammen!“
Mit einem heftigen Ruck öffnete er, packte sie eben so heftig am Arm, zog sie in die Wohnung und drückte mit der Schulter die Tür zu. Ihr Arm war nackt, denn sie trug zu ihren Jeans und den Turnschuhen nur ein ärmelloses schwarzes Topp. Und er war feucht von Schweiß. Auch auf ihrem Gesicht, aus dem ihn ihre dunklen Augen anfunkelten, lag ein Schweißfilm, vor allem auf der Stirn. Ihr Haar hatte sie zu einem Pferdeschwanz zurückgebunden.
„ Du bist wohl verrückt!“, fauchte sie ihn an. „Hast wohl gedacht, du kannst einfach abhauen und mich dort in dem Schlamassel sitzen lassen! Aber das kenne ich ja inzwischen von dir. Hast du eigentlich immer noch nicht gemerkt, dass du auf diese feige Tour nicht davonkommst? Bist du wirklich so blöd, Robert Kessler?“
„ Geh! Verschwinde!“ stieß er zwischen den Zähnen hervor und verspürte plötzlich einen irren, bösen Drang, sie zu schlagen, sie zum Schweigen zu prügeln. Er musste die Fäuste ballen und seine Muskeln anspannen, um sich zu beherrschen.
„ Nicht schlecht, alter Mann“, sagte sie und klang unvermittelt ganz anders, kokettierend. „Du bist noch ziemlich gut in Form, wie ich ja bereits bei anderer Gelegenheit herausfinden durfte.“
Doch schon wechselte sie ebenso übergangslos wieder zurück in ihre harte, vulgäre Tonlage: „Du willst also, dass ich verschwinde? Nun, das lässt sich gern machen, aber da wirst du bald sehen, was du davon hast. Ich werde dir nämlich ein Geschenk da lassen, als Erinnerung an mich. Ein ganz besonderes Geschenk, so besonders, dass sich auch die Polizei dafür interessieren wird.“
„ Was sagst du da?“
„ Komm mit runter, dann zeige ich's dir.“
„ Nein!“ Das war heftig und entschieden gemeint, aber er merkte, wie die Kraft aus ihm wich und seine Muskeln schlaff wurden.
„ Wenn du dich weigerst, lege ich es dir unten vor die Haustür und rufe die Polizei. Was ich denen sagen werde, weißt du ja. Wenn du vernünftig bist und mir hilfst, lasse ich es im Kofferraum und wir finden gemeinsam eine andere Lösung.“
Ihn fröstelte. Wortlos ließ er sie im Flur stehen und zog sich im Schlafzimmer Jeans und einen Polohemd über, schlüpfte in ein Paar Mokassins und nahm ein leichtes Jackett aus dem Schrank. Seine Gedanken
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