Die Frau am Tor (German Edition)
denken, wie wohltuend es wäre, wenn sie etwas weniger reden würde. Doch ihr Vorschlag, mit zu ihr nach Potsdam zu kommen, gefiel ihm. Das war sogar eine richtig gute Idee. Eine bessere hätte ihm selbst kaum einfallen können.
Eva seufzte erleichtert auf, als er ihr erklärte, ja, das werde er gern tun. Er wolle nur kurz duschen und sich etwas Frisches anziehen und ein paar Sachen zusammenpacken, und dann könnten sie seinetwegen gleich losfahren. Aber zunächst brauche er dringend einen Kaffee und etwas Toast.
“ Hin und wieder ist mir nach einem späten Frühstück”, sagte er in einem scherzendem Ton, der ihm irgendwie gelang, und sie ging sogleich darauf ein:
“ Wird sofort erledigt, ganz wie der Herr wünschen.”
Er war nahe daran, die plötzlich entstandene Atmosphäre von Unbeschwertheit zu genießen, meinte sogar einen kleinen warmen Schauer zu spüren. Aber er ahnte zugleich, dass dies nicht viel bedeuten musste – weniger mit Blick auf Eva als auf sich selbst.
Als er im Flur am Telefon vorbeikam, wobei ihm der Zustand seiner Fußsohlen tatsächlich schmerzhaft bewusst wurde, überlegte er einen Moment, ob er den Anrufbeantworter abhören sollte. Sicherlich hatte inzwischen jemand aus der Autowerkstatt angerufen, um nachzufragen, was denn nun mit seinem Alfa geschehen solle. Aber es war bereits 18.30 Uhr und er würde dort ohnehin niemanden mehr erreichen. Außerdem mochte er nicht an Autos denken - und an eventuelle andere Nachrichten auf dem Anrufbeantworter schon gar nicht. Und das Handy würde er weiterhin abgeschaltet im Schreibtisch liegen lassen, so viel stand auch fest. Wenn Eva noch einmal davon anfinge, würde ihm schon etwas einfallen.
Im Badezimmer inspizierte er sich vor dem Spiegel und musste Eva recht geben. Er bot tatsächlich ein desolates Bild und sah fast wie ein Gespenst aus. Die Waage zeigte ihm an, dass er binnen dieser wenigen Tage mehr als vier Kilo abgenommen hatte. Und seine Füße brauchten dringend irgendeine Salbe. Er suchte im Schränkchen danach, fand aber keine und nahm sich vor, Eva später danach zu fragen.
Als er ins Schlafzimmer kam, um sich anzuziehen, sah er, dass die Schuhe und die Jacke, die er auf den Boden geworfen hatte, bereits weggeräumt waren.
Während er seinen Kaffee trank und sein Brot aß, sagte Eva:
“ Da waren in deiner Jackentasche übrigens noch solche Küchenhandschuhe. Ich habe mir erlaubt, sie in den Abfalleimer zu tun.”
“ Ach die”, entgegnete er kauend, “die hatte ich ganz vergessen. Ich hatte sie nach dem Saubermachen wohl versehentlich eingesteckt und nicht mehr daran gedacht, sie beim Weggehen unten in die Mülltonne zu werfen.”
25.
“ Mysteriöser Unfall” lautete die Überschrift. Weiter kam er nicht. Gerade als er mit der Lektüre des Textes beginnen wollte, erschien Eva im Zimmer und er klickte ihn schnell wieder weg.
“ Du kannst es wohl nicht lassen”, meinte sie und schüttelte in gespieltem Tadel den Kopf. Sie hatte ein paar Einkäufe erledigt - “für einen ausgiebigen Samstags-Brunch”, wie sie angekündigt hatte – und ihm geraten, sich mit dem Aufstehen, Duschen und Anziehen Zeit zu lassen. Nachdem sie ihre Wohnung verlassen hatte, war er noch eine Weile liegengeblieben, zunächst fest entschlossen, an nichts mehr zu denken und auch gar nichts weiter wissen zu wollen. Aber später, nachdem er aufgestanden war und sich fertig gemacht hatte, war doch eine nagende Neugier in ihm erwacht, die ihm keine Ruhe ließ, und er hatte Evas PC hochgefahren, der auf dem kleinen Schreibtisch in einer Ecke des Wohnzimmers stand.
“ Tja, die alten Gewohnheiten. Ganz ohne Zeitunglesen scheint es bei mir nun mal nicht gehen”, sagte er entschuldigend. “Aber du hast ja recht. Es muss wirklich nicht sein.”
“ Mach ruhig”, lenkte sie sofort ein, “fühl dich nur wie zu Hause, das bist du ja schließlich auch.”
“ Soll ich dir helfen?”, rief er, als sie mit den Tüten in der Küche hantieren hörte.
“ Nein, nein, das schaffe ich schon”, erwiderte sie. “Für einen Brunch reicht es so gerade noch, auch wenn ich sonst in der Küche bekanntlich eine ziemliche Fehlbesetzung bin.”
Er stand stand auf und schob die Tür ein Stückchen zu. Bei jedem Schritt spürte er immer noch den Muskelkater in den Beinen und die Blasen unter den Füßen. Die Salbe, die Eva ihm gegeben hatte, brachte nur wenig Linderung. An Spaziergänge, von denen sie am noch Abend gesprochen hatten, war jedenfalls vorerst nicht zu
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