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Die Frau am Tor (German Edition)

Die Frau am Tor (German Edition)

Titel: Die Frau am Tor (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Worthmann
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denken.
    Er rief erneut die Meldung auf der Homepage des Tagesspiegels auf. Auf der Landstraße im Ortsteil Rudow, die tatsächlich den kaum zutreffenden Namen Allee trug, war ein Mann tot in seinem Auto aufgefunden worden war. Die Umstände seien bisher rätselhaft, hieß es. Der Tote, Heiko K. (34), habe unangeschnallt auf dem Beifahrersitz gesessen, während der Motor noch lief, bei fast leerem Tank, und die Handbremse sei angezogen gewesen. Die Untersuchungen hätten ergeben, dass der Mann Asthmatiker gewesen sei, aber es sei beim ihm keine Spraydose gefunden worden, wie sie Menschen, die an dieser Krankheit litten, üblicherweise bei sich führten. In seinem Blut hätten sich nur geringe Reste von Alkohol nachweisen lassen, jedoch gebe es Hinweise auf Spuren eines Medikaments, das für Asthmatiker tödlich sein könne. Möglicherweise stammten sie von einem Präparat aus der Kategorie der sogenannten Betablocker. Vorerst sei dies nur ein Verdacht, genauere Untersuchungen stünden noch aus, die Ermittlungen würden fortgesetzt. Die Mordkommission sei routinemäßig eingeschaltet worden.
    Ihm wurde flau, und er musste sich zwingen, auch noch einen Blick in die lokalen Boulevardblätter zu werfen. Dort war man in der Darstellung des Falls weniger zurückhaltend. Es wurde bereits der Begriff “Giftmord” verwendet und über die Hintergründe des “rätselhaften Verbrechens” spekuliert, das offensichtlich durch einen “ziemlich stümperhaft vorgetäuschten Unfall” habe kaschiert werden sollen.
    Das dumpfe Gefühl breitete sich vom Magen her zum Solarplexus hin aus, wo es sich in Form einer stechenden Verkrampfung festsetzte, und er spürte einen leichten Schwindel. Die Buchstaben flimmerten vor seinen Augen. Er versetzte den Computer in den Ruhezustand und ging in die Küche, um ein Glas Wasser zu trinken.
    “ Was ist mit dir?”, fragte Eva. “Du siehst richtig angegriffen aus. Geht es dir denn immer noch nicht besser? Ich dachte, nachdem du dich jetzt ordentlich ausgeschlafen hast.....”
    “ Ach, es geht schon”, wehrte er ab und gab sich dabei alle Mühe, sich nichts von dem anmerken zu lassen, was in ihm vorging. “Ich habe nur immer noch diese schweren Beine von dem vielen Laufen, und die Füße tun ein bisschen weh.”
    “ Nimm noch mal etwas von der Salbe. Und vor allem, ruh dich aus. Gleich gibt es etwas zu essen, und danach werden wir dann eine ausgedehnte Mittagspause machen. Was hältst du davon?”
    Sie warf ihm einen bedeutungsvollen Blick zu.
    “ Ja, gern”, sagte er und fragte sich, ob es ihm gelingen würden, einen Bissen hinunter zu bekommen.
    Wie sollte er nur all die bösen Bilder aus seinem Kopf verbannen, die dort in unerbittlicher Folge vorbei zogen, sich übereinander schoben, verschwammen, sich wieder verschärften und ein ums andere Mal zu einer Sequenz von Szenen mutierten, in denen er abwechselnd Julia und sich selbst und dann sie beide sah bei dem, was sie getan hatten. Und jetzt wurde diese Serie durch ein weiteres Bild ergänzt, das zwar einstweilen nur als Fiktion existierte, aber deswegen nicht weniger bestürzend war – das dieser vermeintlich nur verrückten, wehrlosen jungen Frau, die in Wahrheit abgebrüht genug war, um jemanden vorsätzlich umzubringen. So wie es aussah, hatte sie ihrem ungebetenen Gast ein Medikament verabreicht – vermutlich hatte sie es ihm in den Wein gemischt -, das für ihn aufgrund seiner Krankheit, von der sie offenbar gewusst hatte, lebensgefährlich war.
    Und er, Robert Kessler, hatte sich von ihr dazu überreden lassen, diesen Toten, der dann ja wohl ein Mordopfer war, beiseite zu schaffen, was ihm zu allem Überfluss nicht einmal ordentlich gelungen war.
    Wegen Oliver Rensing hatte er bisher keine allzu großen Skrupel empfunden, aber jetzt überkamen ihn erstmals ernste Zweifel, ob ihre Behauptung tatsächlich zutraf, dass sie ihn in Notwehr erstochen hatte. Womöglich war auch das völlig anders gewesen. Womöglich stimmte überhaupt gar nichts an seinem bisherigen Bild von Julia. Wie hatte er sich nur jemals auf diese ganze Geschichte einlassen können? Zu allem Überfluss hatte er mit dieser Frau auch noch eine Nacht im Bett zu gebracht, zumindest eine halbe, genau gesagt. Und wenn er ganz ehrlich mit sich selbst war – was ihm allerdings in letzter Zeit nicht leicht fiel -, musste er sogar zugeben, dass der Sex mit ihr ausgesprochen gut gewesen war, dass er die Momente des Eindringens in ihren schlanken, straffen und dabei so

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