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Die Frau am Tor (German Edition)

Die Frau am Tor (German Edition)

Titel: Die Frau am Tor (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Worthmann
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nachgiebigen, entgegenkommenden, lustbereiten Körper genossen hatte wie selten zuvor einen Beischlaf.
    Ausgerechnet jetzt, als er mit Eva beim Essen saß, wurden diese Erinnerungen, die er sonst meist mit Erfolg verdrängte, mit verstörender Intensität plötzlich wach, und er befürchtete, sie könne ihm ansehen, wie diese Last aus Scham und Gewissensbissen ihn förmlich niederdrückte. Er musste sich zu einer äußersten Willensanstrengung zusammenreißen, um sie nach ihren emsigen Vorbereitungen für den Brunch nicht zu brüskieren und seinen Mangel an Appetit demonstrativ beiläufig mit dem Hinweis auf seine nach wie vor etwas angeschlagene Verfassung zu begründen.
    Immerhin brachte er es zuwege, etwas von dem Rührei mit Schinken, von dem gemischten Salat und dem Ananasquark zu sich zu nehmen.
    “ Du machst mir in letzter Zeit richtig Sorgen, wirklich, ich kann es nur immer wieder betonen”, sagte sie und musterte ihn mit einem nicht nur bekümmerten, sondern fast mütterlichen Blick, den er so noch nie bei ihr wahrgenommen hatte und der das Altersverhältnis zwischen ihnen auf den Kopf stellte. “Wenn es dir ein wenig besser geht, sollten wir tatsächlich überlegen, ob es nicht gut wäre, einige Dinge grundsätzlich zu ändern. Aber als erstes sollten wir vielleicht wirklich mal in Urlaub fahren, wenigstens für ein paar Tage. Ich werde am Montag gleich mal vorfühlen, ob sich das machen lässt.”
    “ Ja, da hast du recht, das wäre wirklich schön”, antwortete er und las in ihren Augen Genugtuung, aber auch leises Erstaunen darüber, dass er ihr sogleich unumwunden beipflichtete. Am liebsten hätte er ihr vorgeschlagen, umgehend die Koffer zu packen.
    “ Ich will dir nicht zusetzen, Robert, und möchte auf keinen Fall aufdringlich sein”, sagte sie später. “Aber wir sprachen ja kürzlich schon verschiedentlich darüber. Sag, gibt es irgendetwas, das dich bedrückt und belastet? Ich meine jetzt, abgesehen von dieser Sache mit deinem Buch und von deinen...nun ja....deinen psychischen Problemen, die du doch irgendwie immer noch hast nach diesem Burnout. Gibt es sonst noch etwas, bei dem ich dir helfen könnte? Du weißt, ich würde alles tun. Und du weißt, dass du mir vertrauen kannst, voll und ganz. Das weißt du doch, oder?”
    Noch nie war er kurz davor gewesen, nachzugeben, endlich die Beichte abzulegen und seine Sünden zu bekennen. Nur wenige Millimeter trennten ihn von der gedachten roten Linie, hinter der das Verschweigen endete und von der er sich bis dahin stets fern zu halten versucht hatte.
    Es lag ihm schon auf der Zunge zu sagen: “Ja, da gibt es etwas, das du wissen solltest, eine Geschichte, die sich schwer erklären lässt....”
    Doch was er sagte, war:
    “ Nein, wirklich, Eva, da ist nichts, gar nichts. Du musst dir meinetwegen keine Sorgen machen. Ich brauche lediglich ein bisschen Erholung.”

26.
    Das Wochenende ging dahin, doch er fuhr nicht zurück nach Berlin. Er hätte den Bus oder die Bahn nehmen oder sich noch am Sonntagabend von Eva nach Hause bringen lassen können, doch er wollte nicht.
    Die kleine Wohnung kam ihm mittlerweile wie ein Zufluchtsort vor, wie ein schützender Raum, der ihm zumindest die Suggestion gewährte, abgeschirmt zu sein, gegen was auch immer. Immerhin hatte er es selbst in der Hand zu entscheiden, was er an sich heranlassen wollte, beispielsweise, indem er die Zeitungslektüre am Bildschirm nach eigenem Gutdünken dosieren konnte. Er fühlte sich wie auf Besuch – und demgemäß ausgestattet mit gewissen Privilegien, auch dem, sich sonstigen Alltagsbehelligungen verweigern zu dürfen -, obschon Eva natürlich bestritten hätte, dass er nur zu Besuch bei ihr weilte. Doch für ihn hatte all das nicht nur mit den paar Kilometern Abstand zu tun, die ihn von seiner eigenen Wohnung trennten, sondern auch mit einem unbestimmten Empfinden von Fremdheit, das er nun geradezu genoss; er war ja nur selten hier gewesen und nie länger als einen halben Tag oder eine knappe Nacht geblieben.
    Eva reagierte zunächst gerührt, als er ihr erklärte, er wolle noch bleiben, ließ aber auch Zeichen der Überraschung erkennen und meinte, das sei nun aber eine echte Premiere, dass er sich derart bei ihr einniste. Er meinte daraufhin, alles tue man schließlich irgendwann zum ersten Mal, wobei ihm die bedrückende Doppeldeutigkeit dieser Bemerkung in Bezug auf seine jüngste Vergangenheit erst bewusst wurde, nachdem er sie ausgesprochen hatte.
    Bevor Eva am

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