Die Frau am Tor (German Edition)
fast über den Weg gelaufen wäre. Er erinnerte sich, dass sie gesagt hatte, ihr Mann komme Anfang der Woche zurück.
Aber halt, stimmte das überhaupt? Wie konnte er eigentlich wissen, dass sie die Wahrheit gesagt hatte? Jetzt, nachdem ihm allmählich – und leider viel zu spät – klargeworden war, dass es ein großer Fehler war, alle Äußerungen dieser Frau für wahr zu halten? Und war eigentlich sicher, dass es sich überhaupt um Auto ihres Mannes handelte? Dass jener Insasse, mit dem es beinahe, wie er geglaubt hatte, zu einer höchst fatalen Begegnung gekommen wäre, Frank Gerlach gewesen war?
Sicher schien ihm mittlerweile gar nichts mehr.
Am Straßenrand, genau gegenüber dem Haus, sah er einen grauen Opel stehen, in dem offenkundig niemand saß. Er stoppte kurz und versuchte, einen Blick durch die Scheiben der Wohnzimmerfenster zu erhaschen. Da ihn das reflektierende Sonnenlicht blendete, kniff er die Augen zusammen. Viel war nicht zu sehen, aber immerhin ließ sich erkennen, dass sich dort mehrere Personen, offenbar Männer, aufhielten, die umhergingen und gestikulierten.
Was mochte da vor sich gehen? Er konnte sich keinen genauen Reim darauf machen, hatte aber sofort gegen eine ungute Ahnung anzukämpfen, die ihn bis nach Hause verfolgte und sich auch dann nicht legte.
Sein Briefkasten war vollgestopft mit den Zeitungen der letzten Tage, enthielt aber sonst nichts außer einigen Werbebroschüren.
Gerade wollte er hinaufgehen, da öffnete sich Bergheims Wohnungstür und der alte Mann trat heraus.
“ Ach, Herr Kessler, sieht man sich auch einmal wieder. Sie machen sich ja ein wenig rar in letzter Zeit. Haben Sie Probleme mit Ihrem Auto? Ich sah Sie zufällig mit dem Wagen von Frau Uhlenbrock vorfahren.”
“ Ja, meiner ist in der Werkstatt, er braucht einen neuen Motor”, erwiderte er und versuchte, sich seinen Unwillen über Bergheims lästige Neugier nicht anmerken zu lassen. Einem plötzlichen Impuls folgend sagte er: “Sie könnten mir übrigens einen Gefallen tun. Ich werde für ein paar Tage verreisen, und es wäre sehr freundlich, wenn Sie währenddessen nach meiner Post schauen und vor allem die Zeitungen herausnehmen würden. Darf ich Ihnen den Briefkastenschlüssel geben?”
Vielleicht war es ja viel klüger, mit solch einer Geste der Vertraulichkeit Normalität zu demonstrieren, statt durch weiterhin abweisendes Verhalten dem Schnüffeltrieb des Alten Nahrung zu geben.
“ Aber sicher, gern doch, kein Problem”, kam es beflissen zurück. “Apropos Zeitung, was ich Sie noch fragen wollte: Haben Sie das eigentlich mitbekommen, ich meine, diese Sache mit dem toten Mann in seinem Auto, der mit Hilfe eines Medikaments umgebracht wurde?”
Etwas in seinem Inneren versteifte sich.
“ Nein”, entgegnete er rasch, “ich habe in den letzten Tagen keine Zeitungen gelesen. Sie sehen ja, ich habe sie gerade erst aus dem Kasten geholt.”
“ Das Sonderbare an der Geschichte ist, dass ich das Gefühl habe, diesen Mann schon einmal gesehen zu haben”, fuhr Bergheim fort. “Ich meine sogar mich zu erinnern, dass es hier bei uns in der Straße war und noch gar nicht lange her ist, erst vor ein paar Tagen. Aber so ganz genau weiß ich es nicht mehr. Deshalb habe ich es bisher auch noch nicht der Polizei gemeldet. Ich überlege immer noch, ob ich es tun soll. Wie denken Sie darüber?”
Das Denken erwies sich plötzlich als äußerst beschwerliche Angelegenheit, zumal sich seine mentalen Anstrengungen in erster Linie darauf konzentrierten, nach außen hin einigermaßen gleichgültig zu wirken. Er versuchte, sich die Szene ins Gedächtnis zu rufen, wie er seinen Verfolger, dessen Namen er erst nach dessen Tod erfahren sollte, angesprochen hatte und kurz danach Bergheim begegnet war, der gerade aus dem Haus kam und ins Taxi stieg.
“ Wenn Sie es nicht genau wissen, sehe ich, ehrlich gesagt, keinen sonderlichen Sinn darin”, brachte er schließlich hervor. “Ich meine, was soll die Polizei schon groß mit solch einer, nun ja, doch eher unpräzisen Aussage anfangen? Falls Sie sich nicht wirklich sicher sind, sollten Sie es besser für sich behalten.”
Bergheim schien mit dieser Empfehlung nicht ganz zufrieden zu sein und schaute ihn nachdenklich und auch ein wenig pikiert an.
“ Also, als unpräzise würde ich meine Beobachtung beziehungsweise Erinnerung ja nun nicht bezeichnen. Es ist nur so, dass ich mir nicht völlig sicher bin. Ich werde jedenfalls noch ein bisschen darüber
Weitere Kostenlose Bücher