Die Frau an Seiner Seite
Unglück, das sie für Jahre gesundheitlich beeinträchtigte und als dramatische Wende in ihrem Leben betrachtet werden muss. Bei den Vorbereitungen für eine gemeinsame Asienreise mit ihrem Mann spürte sie Anzeichen einer fiebrigen Erkältung. Als ein Tag vor dem Start der bisher längsten Auslandsreise des deutschen Kanzlers das Fieber eine kritische Grenze überschritt, musste sie handeln. Überliefert ist, dass sie ein Antibiotikum gegen eine bakterielle Infektion einnahm, das bei ihr eine schlimme körperliche Reaktion auslöste. Kohl-Sohn Peter beschreibt in seinem Buch detailliert, was dann passierte. Ausführlich beschäftigte sich auch Helmut Kohl in seinen Memoiren mit dieser nun beginnenden Tragödie. Die Kanzlergattin sah sich nach der Einnahme des Medikaments außerstande, ihren Mann auf der wichtigen Auslandsreise nach Indien, Singapur, Indonesien, Japan und Südkorea zu begleiten und bekniete ihn, auf keinen Fall ihretwegen die Reise abzusagen. Nachdem Helmut Kohl mit schlechtem Gewissen am 18. Februar 1993 nach Indien aufgebrochen war, wurde Hannelore zwei Tage später mit lebensbedrohlichen Symptomen in das Sankt-Marien-Krankenhaus in Ludwigshafen eingeliefert. Die allergischen Reaktionen auf das Medikament waren derart stark geworden, dass ihre Haut am ganzen Körper dunkelblau angelaufen war. Hannelore konnte kaum noch laufen und litt unter schrecklichen Schmerzen. Schon die kleinste Berührung sei ihr unerträglich gewesen. Vier Tage lang schwebte Hannelore zwischen Leben und Tod. Die behandelnden Ärzte und die rund um die Uhr aktiven Schwestern hatten nach übereinstimmenden Berichten den Glauben an ein Überleben ihrer Patientin verloren. Erst nach einer Woche, so die Erinnerung des Kanzlers, sei es langsam aufwärts gegangen. Laut Diagnose hatte Hannelore einen »lebensbedrohenden anaphylaktischen Schock mit nachfolgendem Lyell-Syndrom (Epidermolysis acuta toxica) durch das Antibiotikum Amoxicillin« erlitten. In der Folge kam es »fluktuierend zu geringer Hautsymptomatik, verbunden mit Glottisödem, Asthmaanfall und mannigfachen Körperbeschwerden bei Sonnenlichtexposition, später auch bei Kunstlicht und Wärme«.
Als Helmut Kohl vierzehn Tage später nach dem Ende seiner Asienreise ins Ludwigshafener Krankenhaus kam, war er entsetzt. Nach wie vor litt Hannelore unter extremen Hautproblemen, durch den Allergieschub hatte sie sämtliche Nägel und vor allem ihr blondes Haar verloren. Nach wochenlangem Krankenhausaufenthalt und anschließender Kur zeigten sich weitere Auswirkungen der fatalen Medikamenteneinnahme. Sonnenlicht – später auch andere Lichtquellen – wurde für sie immer unverträglicher, ihre Haut reagierte mit Rötungen, Quaddelbildung und Juckreiz. Die Kanzlergattin war in ihrem Aktionsradius erheblich eingeschränkt, und diese Beeinträchtigungen zeigten sich vor allem bei Reisen im In- und Ausland. Von all diesen Handicaps erfuhr die Öffentlichkeit so gut wie nichts. Hannelores preußische Pflichtauffassung, ihre eiserne Disziplin und ihr ewiges Lächeln, selbst wenn es ihr alles andere als gut ging, überdeckten ihre angeschlagene Gesundheit.
Bis heute ist ungeklärt, wie es zu diesem Drama kommen konnte. Hannelore selbst hatte anfangs erzählt, sie habe einen befreundeten Apotheker gebeten, ihr entsprechende Medikamente gegen ihren grippalen Effekt vorbeizubringen. Kurz darauf kursierte jedoch eine andere Version, die den Hausarzt der Familie Kohl schwer belastete und von der Hannelores Mann und die beiden Söhne bis heute überzeugt sind. Demnach habe Dr. med. Heinz Lösel angeblich einen unverzeihlichen Fehler begangen. Obwohl gerade er seit Jahren von Hannelores Penicillin-Unverträglichkeit wusste und jeden Krankenhausarzt darüber aufklärte, soll er der Kanzlergattin aus Versehen ein Medikament verabreicht haben, das zur Penicillingruppe gehörte. Auch von einer Spritze des Hausarztes ist die Rede, die möglicherweise zu dem Drama geführt habe. Bis heute verweist Lösel auf seine ärztliche Schweigepflicht und lehnt jeden Kommentar zu diesem schlimmem Vorwurf ab. Im Gespräch gewinnt man aber den Eindruck, dass er sich absolut unschuldig fühlt. Nichtsdestotrotz stand für Hannelore wie für die ganze Familie fest, dass Heinz Lösel –natürlich nicht absichtlich – jene Tragödie verursacht hatte, die das Leben der Kanzlergattin nachhaltig veränderte und erheblich belastete. Das Drama führte zu Einschränkungen ihrer Lebensqualität und verhinderte eine
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