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Die Frau an Seiner Seite

Die Frau an Seiner Seite

Titel: Die Frau an Seiner Seite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heribert Schwan
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Entscheidungen informiert worden. Damit mussten sich Hannelore und ihre Kinder einfach abfinden. Helmut Kohls neuerliche Geheimniskrämerei über seine politische Zukunft – ob er bald einem Nachfolger Platz machen oder tatsächlich zur Bundestagswahl 1998 noch einmal antreten würde – war für Hannelore kaum zu ertragen. Sie hatte auf das Versprechen ihres Mannes gesetzt und mit seinem Abgang als Kanzler spätestens 1997, also ein gutes Jahr vor der Bundestagswahl, gerechnet. Die Unsicherheit, wie es weitergehen würde, belastete sie und war ihrer Gesundheit wenig zuträglich.
    Am 3. April 1997 feierte der Pfälzer seinen 67. Geburtstag. Allein mit seinem Vertrauten, Butler und Fahrer Ecki Seeber beging er den Tag in jener Kurklinik in Bad Gastein, die er alljährlich aufsuchte, um sein Gewicht zu reduzieren. Öffentlich hatte er sich seit der Bundestagswahl 1994 nie mit einem klaren Ja oder Nein zur Frage einer erneuten Kanzlerkandidatur geäußert. Gegenüber Hannelore hatte er den Verzicht auf eine weitere Kandidatur zwar unmissverständlich formuliert, fortan aber eisern geschwiegen. Auch im Februar 1997 bereitete er dem Rätselraten um seine Absichten kein Ende, als er erklärte, er werde rechtzeitig zu einem Zeitpunkt, den er für richtig halte, seine Entscheidung, ob er 1998 wieder für das Amt des Bundeskanzlers kandidiere, bekannt geben. Mit fast 15 Jahren im Amt, hatte er länger als jeder andere Kanzler vor ihm das Land regiert. Alle Beobachter rechneten fest damit, dass er den Verzicht auf eine erneute Kanzlerkandidatur bald bekannt geben würde.
    Doch dann kam alles anders. Es war genau an jenem 3. April, seinem Geburtstag, als er sein monatelanges Schweigen brach und seine erneute Kandidatur für die Bundestagswahl im Oktober 1998 ankündigte. Hannelore erfuhr die Neuigkeit aus den Fernsehnachrichten. Zu diesem Zeitpunkt befand sie sich auf einem Kuraufenthalt in einer Privatklinik am Tegernsee. In einem Fernsehinterview der ARD, das an Kohls langjährigem Kurort im österreichischen Bad Hofgastein aufgezeichnet worden war, antwortete ihr Mann auf die Frage, ob er auch eine fünfte Legislaturperiode anstrebe: »Ganz klares Ja, unter der Voraussetzung, dass meine eigene Partei und meine politischen Freunde dies so wollen.« Es sei ja keine einsame Entscheidung auf dem Olymp. Er habe sich das sehr genau überlegt, fügte er hinzu und unterstrich, mit seiner Familie alles abgesprochen zu haben. Eine glatte Lüge. Hannelore bekam einen seltenen Wutausbruch. Sie hatte fest mit einer anderen Entscheidung gerechnet und nun das. Dass ihr Mann vor laufender Kamera und ohne rot zu werden eine schlicht unwahre Behauptung in die Welt setzte, fand sie in höchstem Maße respektlos und kaum entschuldbar. Sie hörte schon gar nicht mehr hin, als er von der Verpflichtung sprach, die anstehenden Reformen im Steuer-, Renten- und Gesundheitsbereich durchsetzen zu wollen; überdies sehe er sich bei der Osterweiterung der NATO und auch bei den Verhandlungen um die Einführung des Euro in einer »Schlüsselposition«. Hannelore verstand die Welt nicht mehr. Noch am Vormittag hatte sie mit ihrem Mann telefoniert, um ihm zum Geburtstag zu gratulieren. Spätestens an dieser Stelle hätte er seine Frau informieren, zumindest vorwarnen müssen. Es bleibt wohl Helmut Kohls Geheimnis, warum er nicht nur seiner Frau seine Absichten vorenthielt, sondern auch den hoch geachteten »Kronprinzen« Wolfgang Schäuble nicht vorab in Kenntnis setzte. Schäuble, für den sich damit alle Hoffnungen und Erwartungen zerschlugen, empfand jenen 3. April 1997 als Tag der Niederlage und Demütigung. Zwischen Kohl und ihm begann ein schleichender Entfremdungsprozess, der im Jahr 2000 zum völligen Zerwürfnis führte.
    Was damals in der Öffentlichkeit kaum beachtet wurde, was Helmut Kohl aber zur Begründung für sein Handeln später seinen engsten Mitstreitern, vor allem aber seiner Frau erläuterte, war folgendes: Einen Wechsel im Amt des Bundeskanzlers während einer Legislaturperiode konnten nur die Abgeordneten des Deutschen Bundestages in geheimer Wahl vollziehen. Durch die äußerst knappen Mehrheitsverhältnisse war nicht gesichert, dass der Nachfolger auch ins Amt kommen würde. Kohl, der offenbar im Vorfeld sondiert hatte, hatte zur Kenntnis nehmen müssen, dass Wolfgang Schäuble bei einer solchen Wahl nicht alle Stimmen der Abgeordneten von CDU/CSU und FDP bekommen würde. Vor allem in der FDP hatten einflussreiche Politiker Kohl

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